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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870
Autoren: Luise Buechner
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und licht bleibe im deutschen Vaterlande, für alle Zeit!
     
    Darmstadt, im Februar 1875.
    Luise Büchner.
     
Erste Vorlesung
     
    Einleitung und übersichtliche Darstellung der Befreiungskämpfe
     
    Wenn ich heute den Faden meiner Geschichtsvorträge wieder aufnehme, welche, bereits zwei Jahrgänge umfassend, dazu bestimmt waren, meinen Hörerinnen ein klares, anschauliches und zusammenhängendes Bild der deutschen Geschichtsentwickelung seit dem westphälischen Frieden bis auf die Gegenwart zu geben, so thue ich es unter der Voraussetzung, daß Sie mir gerne bis an das Ende meiner Aufgabe folgen. Aber auch denen, welche das Vorangegangene nicht gehört, glaube ich doch insofern ein abgerundetes Ganze versprechen zu dürfen, als ja erst nach den Befreiungskriegen eine selbstständige innere politische Entwickelung unseres Vaterlandes sich Bahn brach, und diese Zeit somit eine Epoche für sich bildet. Auf den inneren Kämpfen, die den äußerlichen folgten, auf dem endlichen Siege der Ideen, die damals schon lebendig waren, beruht unsere Gegenwart, und diese gegenwärtige Zeit voll und richtig zu verstehen, in ihr zu leben und zu wirken mit klarem und bewußtem Geiste, dies ist ja doch wohl die Aufgabe und der höchste Lebensgenuß eines jeden gebildeten und denkenden Menschen. Jeder Einzelne nimmt Theil an der Entwicklung seiner Zeit und seines Vaterlandes, aber er wird die erstere nur vollständig verstehen und würdigen lernen, an der Hand der historischen Thatsachen, die derselben vorausgegangen sind. Wer
lange gelebt
, hat sie zum Theil
erlebt
, der jüngeren Generation aber muß man sie, sobald sie reif genug geworden ist, dieselben zu verstehen, im klaren Zusammenhange mitzutheilen versuchen, und dies ist die Aufgabe, welche ich mir hier gestellt habe. –
    Nach dem Grundsatze, den ich immer befolgt, werde ich auch dieses mal wieder den Hauptnachdruck auf das kulturhistorische Moment, auf die Entwicklung der geistigen und sittlichen Anschauungen unseres Volkes legen, und in diesem Sinne auch die
Literatur
in den Kreis meiner Betrachtungen ziehen, in so weit dieselbe direct auf die politischen Anschauungen des Tages eingewirkt und dieselben mitbestimmt hat.
    Es ist uns ja bekannt, wie die deutsche Muse lange Jahre hindurch die einzige himmlische Leuchte und Trösterin unseres gedrückten Volkes gewesen, und wie sie, durch Schiller's Mund vornehmlich, in dessen Seele die Ideen und Vorstellungen trug, welche später, als unzerstörbare Saamenkörner der Zukunft, eine höhere Ernte vorbereiten sollten. Aber diese
Muse
des vergangnen Jahrhunderts stand trotzdem abseits und weit getrennt von dem wirklichen Leben der Nation, während Jene des neuzehnten Jahrhunderts mit ihr gelitten und geduldet hat, und nach und nach so tief mit ihr verwuchs, daß wir heute schon im ahnungsvollen Geiste ein späteres Dichtergeschlecht zu schauen vermögen, welches dereinst die jüngsten, die Jahre von Deutschlands endlicher Wiedergeburt, – seinem endlichen erfolgreichen Aufschwung, feiern und verherrlichen wird. –
    Bis zu den untersten Stufen und Anfängen dieses Aufschwungs aber führt mich nun zunächst meine Aufgabe zurück, zu der Anknüpfung an die Momente, welche die Abschüttelung der Fremdherrschaft in Deutschland herbeiführten. Gestatten Sie mir darum einen kurzen Rückblick auf jene Tage. Die furchtbaren Klänge der französischen Revolutionsglocke hatte die Völker des europäischen Continents aus dem dämmernden Traumleben erweckt, in welche sie der fürstlich-väterliche Absolutismus des 18. Jahrhunderts eingelullt hatte. – Dieses Erwachen sollte jedoch nicht sofort der seither unterdrückten und mißachteten Freiheit und Selbstregierung der Völker zu Gute kommen, sondern dem
Eroberer und Despoten
, der mit der Schärfe des Schwertes das Bestehende, wie das Nationale niederschlug, und dem wir es nur erst in zweiter Linie zu danken vermögen, wie er damit zugleich, und namentlich in Deutschland, alt Verjährtes und Vermodertes zu Falle brachte. – Dafür lastete aber auch auf keiner andern Nation seine Hand so schwer und vernichtend, als auf der unserigen. Unser Volk auszustreichen aus der Reihe der Nationen, war das mehrfach ausgesprochene Ziel seines unersättlichen Ehrgeizes, und mit Flammenschrift haben uns seitdem diese Jahre der tiefsten Erniedrigung immer und immer wieder zur Einheit und zum Widerstand gegen den Despotismus gemahnt. –
    Aber als die Morgenröthe einer neuen Zukunft sahen wir alsdann
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