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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870
Autoren: Luise Buechner
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betonte: »Unsere Hand wird den süddeutschen Ländern offen und entgegenkommend dargereicht werden, sobald der norddeutsche Bund in Feststellung seiner Verfassung weit genug vorgeschritten sein wird, um zur Abschließung von Verträgen befähigt zu sein. Die Erhaltung des Zollvereins, die gemeinsame Pflege der Volkswirthschaft, die gemeinsame Verbürgung für die Sicherheit des deutschen Gebietes werden Grundbedingungen der Verständigungen bilden, welche voraussichtlich von beiden Theilen angestrebt werden!« u.s.f. Einige Tage später las Graf Bismarck den zu berathenden Verfassungsentwurf vor, welcher einige Bestandtheile der Verfassung von 1849 in sich aufgenommen hatte, und der mit genialem Scharfblicke nicht allein den damaligen Verhältnissen angepaßt war, sondern auch weiten Raum für den Eintritt der Südstaaten ließ. Weder der Einheitsstaat, dem zu viele selbstständige Mächte gegenüber standen, noch eine straffe Centralgewalt, die die Souveränität der einzelnen Monarchieen aufhob, konnte die Gewähr einer lebensfähigen, organischen Entwicklung geben; Graf Bismarck verlegte darum den Schwerpunkt der Bundesgewalt in ein Collegium, den sogenannten
Bundesrath
, der aus Bevollmächtigten der verbündeten Regierungen bestand und der heute im
Ganzen
58 Mitglieder umfaßt. Sie vertreten die Ansichten der Regierung die sie entsendet hat, und es besteht die hauptsächliche Thätigkeit dieses Bundesrathes in der Ausübung der
gesetzgebenden Gewalt
, er ist darum auch nicht aus einem Corps von Diplomaten, sondern von Fachmännern aller Art zusammengesetzt, welche sich in Ausschüsse für Kriegs-, Zollund Steuerwesen, Handel, Post-, Eisenbahn- und Telegraphenverkehr, Justiz- und Rechnungswesen theilen. Der Bundesrath ist nicht permanent, sondern wird einmal im Jahre durch das Bundespräsidium, das der Krone Preußen erblich zugehört, zusammenberufen. Diese Präsidialstimme giebt in Streitpunkten innerhalb des Bundesrathes den Ausschlag und besitzt ein Veto bei Beschlüssen über Kriegswesen, Zollsachen, oder einer etwaigen Auflösung des Reichstages. Das Bundespräsidium hat weiterhin den Bund nach Außen hin völkerrechtlich zu vertreten, Krieg zu führen, Frieden zu schließen und den Oberbefehl zu Wasser, wie zu Lande auszuüben. Der Präsidentschaft sollte kein besonderes Ministerium, sondern nur ein
verantwortlicher
Bundeskanzler zur Seite stehen, welcher im Bundesrathe den Vorsitz führte und die Geschäfte leitete; dieser damalige Bundeskanzler ist der heutige
Reichskanzler
, Fürst Bismarck. Zu diesen beiden Factoren:
Bundesrath
und
Präsidialmacht
, gesellte sich als dritter der Reichstag, der aus directen Wahlen hervorgehen, und dessen Mitglieder keine Diäten beziehen sollten. Die Zustimmung des Reichstages ist zu allen Gesetzen und Handlungen des Bundesrathes erforderlich, zu seiner Kompetenz gehört fernerhin das Recht alljährlich das Budget des Bundes zu prüfen und festzustellen, auch darf er aus eigner Initiative Gesetze vorschlagen. Die Tüchtigkeit und practische Ausführbarkeit dieser Verfassung war so augenscheinlich, daß sie von dem constituirenden Reichstage mit wenigen Veränderungen angenommen wurde, und Graf Bismarck durfte mit Recht während der Debatten den Reichstagsmitgliedern das aneifernde Wort zurufen: »Arbeiten wir rasch, meine Herren, setzen wir Deutschland so zu sagen in den Sattel,
reiten wird es schon können
!« –
    Und so geschah es in der That, es lernte reiten, trotz aller Mißstimmungen, Deklamationen und Lamentationen die von den verschiedensten Seiten laut wurden, trotz der Intriguen Frankreich's und Oestreich's, die sich bemühten, einen deutschen Südbund zu Stande zu bringen, trotz des Jammers der Großdeutschen und der bittern Vorwürfe der Republikaner, über den Ausschluß der 8 Millionen Deutsch-Oestreicher! Eine der schwierigsten Debatten im Reichstage betraf abermals die militärische Forderung einer
dreijährigen
Präsenzzeit, die auch im übrigen Deutschland große Mißstimmung erregte, aber General
Moltke
blieb unerschütterlich bei seinem Verlangen, und die folgenden Ereignisse gaben ihm Recht. Man konnte mit Bestimmtheit früher oder später einen Krieg mit Frankreich voraussehen, wenn auch Preußen für jetzt einem solchen mit großer Mäßigung auswich, als Frankreich den Handel wegen Luxemburg in Scene setzte. Durch die späteren Ereignisse sind die Vorwürfe, die man Preußen damals, namentlich von der liberalen Seite aus, gemacht, als ob es nun
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