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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870
Autoren: Luise Buechner
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besetzt wurde. Der Kurfürst, der sich mit Gewalt neutral erklären wollte, wurde alsbald auf Wilhelmshöhe gefangen genommen und nach Stettin gebracht; König Georg von Hannover, der sein Hauptquartier nach Göttingen verlegt hatte, zog von da gen Thüringen, in der Hoffnung, sich mit der in Franken stehenden Armee des Prinzen Karl von Bayern vereinigen zu können. Die Operationen wurden jedoch von beiden Theilen so langsam und ungenau ausgeführt, daß es am 27. Juni zu dem blutigen und überflüssigen Gefechte von
Langensalza
kam, wo die Hannoveraner zwar die in großer Minderzahl ihnen gegenüberstehenden Preußen schlugen, ohne jedoch dieses Sieges froh zu werden, denn die nachrückenden Preußen schlossen sie so fest ein, daß der König, der selbst im Lager war, am folgenden Tage capituliren mußte.
    Preußen hatte unterdessen seine Hauptmacht gegen Oestreich concentrirt, sah sich aber doch genöthigt, auch ein Armeecorps nach Süd-Westdeutschland, unter dem Commando des General Vogel v. Falckenstein, zu entsenden, wo sich diesem vorerst das neunte Armeecorps, die eigentliche Reichsarmee, aus Hessen, Nassauern, Würtembergern, Badensern und einigen östreichischen Regimentern, namentlich Italienern, bestehend, entgegen stellten; hinter diesen stand das achte Armeecorps, hauptsächlich bayerische Truppen in sich schließend, unter dem Befehl des Prinzen Karl, eines alten Herrn von 71 Jahren, der nach seinem Gutdünken diese ganze Südarmee zu leiten hatte. – Was nun die Reichsarmee betrifft, so war sie, wenn auch besser uniformirt und eingeübt, doch bezüglich ihrer inneren Zusammengehörigkeit kaum zweckmäßiger organisirt als die Reichsarmeen des 18. Jahrhunderts, und sie wird am besten durch den Bericht ihres eignen Anführers, des Prinzen Alexander von Hessen, charakterisirt; er schreibt darüber: »Mit sehr geringer Hoffnung und nur höchst ungern hatte ich dieses Commando übernommen. Die Mängel der deutschen Bundeskriegsverfassung waren mir bekannt; ich mußte aber voraussetzen, daß die Staaten, welche sich entschlossen hatten, ihr gutes Recht mit den Waffen in der Hand zu vertheidigen, auch bereit wären, die nöthigen Opfer zu bringen. Und darin hatte ich mich getäuscht, keiner der bundestreuen Staaten, mit alleiniger Ausnahme Hessen's, stand gerüstet« u.s.w.
    Trotz langjähriger Berathungen der bundestäglichen Militärcommissionen hatte man es noch nicht einmal dahin gebracht, daß die verschiednen Contingente gleiches Commando und gleiche Signale hatten; und diese getrennten Theile sollten nun gegen eine auf's Beste geführte einheitliche Macht kämpfen! Es konnte nichts nützen, daß man ihnen jetzt als äußeres Band der Einheit eine Reichsfahne gab und den Soldaten Armbinden anheftete, welche die verpönten und verfolgten Reichsfarben: schwarz, roth, gold! trugen, für die sie sich nun begeistern sollten. Was gingen auch diese Farben die Italiener, Kroaten und Böhmen an, welche Oestreich in das 9. Armeecorps hineinsteckte, und mit denen man sich später in den Lazarethen kaum zu verständigen wußte.
    Die Stimmung der Bevölkerung in Süddeutschland war eine höchst eigenthümliche; zuerst entsetzte sich Jeder bei dem Gedanken an einen Bruderkrieg und laut verwünschte man Preußen, das man als die nächste Ursache desselben betrachtete. Als man sich aber der vollendeten Thatsache gegenüber befand, und nun für eine der kämpfenden Partheien entscheiden mußte, wendete sich das Blatt. Ein großer Theil der liberalen Bevölkerung wünschte, man muß es offen heraus sagen, beiden Theilen das Verderben, denn wie sehr litt nicht das ganze übrige Deutschland nun schon seit solch unendlich langer Zeit unter dem beständigen Hader und der Eifersucht seiner beiden Großmächte! Man sehnte sich wieder herzlich nach einer süddeutschen Republik, welche als das einzige Mittel erschien, seine beiden Dränger auf einmal los zu werden.
    Daran war aber freilich vor's Erste nicht zu denken, und so war es denn doch bald für Alle, die einigen politischen Verstand besaßen, eine ausgemachte Sache, daß man von zwei Uebeln das Kleinere wählen müsse, und in jedem Falle lieber dem siegenden Preußen, als dem siegenden Oestreich anheimfallen wolle. Der Triumph des letzteren Staates war gleichbedeutend mit dem der geistigen Knechtschaft, des Ultramontanismus, wie des Absolutismus. Deutschland ging seinem Untergange entgegen, wenn jene finstren Mächte, gestützt auf eine große materielle Gewalt, die
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