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Dessen, S

Dessen, S

Titel: Dessen, S
Autoren: Because of you
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schlief. Ihre warme, leicht verschwitzte Haut, ihr zartes Gewicht, der Geruch nach Milch und Baby: Ich konnte mich noch so gut daran erinnern. Und an alles, was ich ihr ins Ohr geflüstert hatte, über sie, mich und die große weite Welt der Mädchen und Jungen, von der wir ein winziger Teil waren. Eines Tages würde sie mir alles erzählen können, was sie wusste. Ich konnte es kaum erwarten.
    Bis dahin hatte ich noch etwas anderes, das mich an sie erinnerte. Ich hatte es im Supermarkt entdeckt, kurz nachdem ich an die
Defriese
gekommen war. Ohne überhaupt nachzudenken, hatte ich das Teil in den Einkaufswagen gelegt. Es gab unzählige Gründe, froh zu sein, dass Maggie meine Zimmergenossin war. Aber die Tatsache, dass sie beim Schlafen Brandungsrauschen ertrug – künstliches Brandungsrauschen zumal – stand ganz oben auf der Liste.
    Ich nahm das Handy, checkte meine Mailbox. Wie erwartet, zwei Nachrichten. Zum einen meine Mutter, die regelmäßig anrief, um von meinem Studium zu erfahren. Aber mittlerweile kamen wir ziemlich schnell auf alle möglichen anderen Themen. Zum Beispiel Lauras und Hollis’ Hochzeit, die sie in den Wahnsinn trieb – obwohl sie schwor, sie würde versuchen, für alles offen zu bleiben; oder ihre sich langsam entwickelnde Beziehungmit Finn, dem bebrillten Doktoranden. Er war nett und witzig und betete meine Mutter an. Was sie für ihn empfand, war schwieriger herauszubekommen. Aber ich hatte sie gut gecoacht und war deshalb zuversichtlich: Wenn sie so weit sein würde, darüber zu sprechen, würde sie es hinkriegen.
    Die zweite Nachricht stammte von meinem Vater. Er war wieder zu Hause eingezogen, wollte es noch einmal mit Heidi versuchen, eine Entscheidung, die er am Abend des Strandballs getroffen hatte: Denn er beschloss in letzter Minute, sein Flugzeug sausen zu lassen und stattdessen auf Isby aufzupassen. Als er ankam und meine Mutter mit ihr auf dem Arm sah, machte es offensichtlich Klick und er begriff etwas, das ich ihm nicht hatte vermitteln können. Im Grunde begriff er alles. Er schickte meine Mutter in ihr Hotel, wachte bis spät in die Nacht über Isby. Irgendwann kam Heidi nach Hause, barfuß, Highheels in der Hand, total aufgedreht von der Party. Das Baby schlief, sie redeten. Und redeten.
    Was nicht hieß, dass er gleich am nächsten Tag zurückkehrte. Es war ein langsamer Prozess, der langwierige Verhandlungen mit sich brachte. Einiges hatte sich seither geändert. Heidi tobte sich nun wieder halbtags in der Boutique aus, während mein Vater nur noch einen Kurs unterrichtete, sodass beide arbeiten
und
Zeit mit ihrer Tochter verbringen konnten. An den Tagen, an denen aus irgendeinem Grund keiner von beiden konnte, blieb Isby entweder bei Karen, Elis Mutter – die gelegentliche Babyzeit einfach liebte – oder bei einer von Dads Studentinnen,die sich um den Job rissen: Man durfte nämlich im
Clementine's
shoppen, ohne zu bezahlen. Mein Vater versuchte immer noch, sein Manuskript an den Mann zu bringen, hatte jedoch bereits mit dem nächsten Roman begonnen: über die »Abgründe des Elterndaseins in der Vorstadt«. Zum Schreiben hatte er bloß noch nachts Zeit, doch das schien ihm ganz recht zu sein – obwohl seine kostbaren neun Stunden Schlaf damit der Vergangenheit angehörten. Außerdem bedeutete es, dass er wach war, wenn ich beschloss, mir auch mal wieder eine Nacht um die Ohren zu hauen. Ich konnte ihn jederzeit anrufen und plaudern.
    Ich steckte das Handy in die Hosentasche, nahm mir meinen Rucksack, den Kaffee. »Ich bin dann mal weg«, sagte ich zu Maggie.
    »Bis morgen«, erwiderte sie. »Moment, nein, stimmt nicht, ich fahre ja nach Colby.«
    »Du fährst nach Colby?«
    »Ja. Zur großen Wiedereröffnung, weißt du nicht mehr? Ach, und jetzt hätte ich fast vergessen, dir zu sagen, dass Adam dir ein T-Shirt geschickt hat. Liegt auf deinem Schreibtisch.«
    Die große Wiedereröffnung – ich hatte sie in der Tat völlig verdrängt. Unfassbar. Vor allem, weil Adam, der mindestens jedes zweite Wochenende zu Besuch kam, über nichts anderes mehr redete. Seit dem Ende der Sommerferien war er der Manager des Fahrradladens, soweit er es mit seinem Stundenplan am
Weymar College
verbinden konnte, und total aus dem Häuschen, weil Clyde ihm weitgehend freie Hand ließ, sodass er nachLust und Laune Dinge verändern, neue Ware einkaufen, den Laden aufmöbeln konnte. Neue Schilder, neue Specials, alles neu. Ein Überbleibsel aus der Ära seines Vorgängers allerdings gab
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