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Dessen, S

Dessen, S

Titel: Dessen, S
Autoren: Because of you
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Alter.«
    »Wirklich?«
    Meine Mutter nickte. »Es liegt an den Augen. Die Augen hat sie von deinem Vater.«
    Ich betrachtete Isby, die es überhaupt nicht zu stören schien, von einer verkrampften Fremden gehalten zu werden. Doch weshalb hätte Isby das auch stören sollen? Sie hatte bisher nur Erfahrung mit Menschen, die es mehr als gut mit ihr meinten. Aus ihrer Perspektive konnte man im Prinzip jedem vertrauen.
    »Ich wollte nicht, dass du dir meinetwegen Sorgen machst«, sagte ich zu meiner Mutter. »Ich war nur   … es ist echt viel passiert in letzter Zeit.«
    »Das habe ich gemerkt.« Behutsam setzte sie Isby auf ihrem Schoß zurecht, nahm mit der freien Hand den Kaffeebecher. »Deswegen auch die Sorge, vor allem, weildu mich nach unserer Scheidung gefragt hast. Du klangst so anders.«
    »Inwiefern?«
    Sie überlegte einen Moment. Schließlich antwortete sie: »Komischerweise fällt mir das Wort ›jünger‹ ein, obwohl ich keine plausible Erklärung dafür habe.«
    Ich schon. Doch ich schwieg. Streckte stattdessen die Hand aus, nahm eins von Isbys kleinen Fingerchen, drückte es. Sie schaute kurz mich, doch dann gleich wieder meine Mutter an.
    »Um ehrlich zu sein, hatte ich Angst, ich würde dich verlieren«, fuhr meine Mutter fort – mehr an Isby gewandt als an mich. »Als du dich entschlossen hast, die Sommerferien hier bei deinem Vater und Heidi zu verbringen. Und außerdem so viele neue Leute kennengelernt hast. Als wir uns dann auch noch gestritten haben, wegen des Studentenwohnheims   … Vermutlich hatte ich mich an den Gedanken gewöhnt, dass wir auf einer Wellenlänge sind. Doch auf einmal waren wir das nicht mehr. Und es fühlte sich sehr eigenartig an. Beinahe einsam.«
    Beinahe, dachte ich. Und sagte: »Heißt das, wir können uns nicht nah sein, nur weil wir unterschiedlicher Meinung sind?«
    »Natürlich nicht«, erwiderte sie. »Aber es hat mich eben irritiert. Beunruhigt. Mitzubekommen, wie schnell du dich veränderst. Als würdest du in einer völlig anderen Welt leben, in der kein Platz für mich ist.«
    Immer noch hielt sie den Blick auf Isby gerichtet, sah ihr direkt ins Gesicht. Als wären ihre Worte für das Baby bestimmt. Ihre Hände lagen um Isbys Taille.
    »Ich kenne das Gefühl«, sagte ich.
    »Wirklich?«
    Ich nickte. »Ja. Absolut.«
    Jetzt endlich sah sie mich an. »Ich würde die Vorstellung nicht ertragen, dass eine Entscheidung, die ich für mein Leben getroffen habe, deins ruiniert hätte.« Sie sprach sehr langsam. »Das würde mich am Boden zerstören.«
    Mir fiel ein, wie ihre Stimme weicher geworden war am Telefon, an jenem Abend, als ich sie auf die Scheidung angesprochen hatte. Sonst hatte meine Mutter immer eine kalte, harte Schale gehabt, eine spröde Rüstung, durch die sie Abstand zu ihrer Umwelt wahrte. So hatte ich es jedenfalls gesehen – dass ich draußen stand und anklopfte, um hereingelassen zu werden. Sie hingegen empfand es womöglich völlig anders – dass ich mich längst mit ihr zusammen im Innern befand, geschützt, in Sicherheit.
    »Du hast mein Leben nicht ruiniert«, meinte ich. »Ich wünschte bloß, wir hätten mehr miteinander geredet.«
    »Über die Scheidung?«
    »Über alles.«
    Sie nickte langsam. Eine Weile sahen wir schweigend Isby zu, die ihre Füße beäugte. Schließlich meinte Mom: »Das war nie meine Stärke. Über Gefühle zu sprechen.«
    »Ich weiß«, erwiderte ich. Sie sah mich fragend an. »Meine auch nicht«, fuhr ich fort. »Aber diesen Sommer habe ich sozusagen einen Schnellkurs gemacht.«
    »Ach ja?«
    »Ja.« Ich atmete tief durch. »So schwer ist es eigentlich gar nicht.«
    »Aha.« Sie schluckte. »Vielleicht kannst du mir ja ein bisschen was beibringen.«
    Ich lächelte sie an. Hatte gerade die Hand ausgestreckt, um sie auf ihre zu legen, spürte schon die Wärme ihrer Haut, da vibrierte Heidis Handy in meiner Tasche.
    »Mist«, sagte ich und holte es aus der Tasche. »Ich gehe besser dran.«
    »Ja, mach nur.« Sie lehnte sich ein wenig zurück, verlagerte Isbys Gewicht auf ihrem Schoß. »Wir kommen schon klar, wir zwei.«
    Ich stand auf, ging dran, ohne aufs Display zu schauen. »Hallo?«
    »Heidi?«
    Die Tatsache, dass mein Vater meine Stimme nicht erkannte, hatte garantiert etwas zu bedeuten, auch wenn ich nicht sicher war, was. Eine Sekunde lang schoss mir durch den Kopf, einfach aufzulegen, mich feige aus der Affäre zu ziehen. Doch dann sagte ich: »Nein. Ich bin’s, Auden.«
    »Oh.« Pause. »Hey
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