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Des Koenigs Konterbande

Des Koenigs Konterbande

Titel: Des Koenigs Konterbande
Autoren: Alexander Kent
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Schiffe, zu wenig Männer. Immer das gleiche.
    Drews Blick fiel auf die zuoberst liegende Personalakte: Richard Bolitho, Esquire. Sie sah abgenutzt aus und ließ Sir Marcus wünschen, ein anderer säße jetzt auf seinem Stuhl.
    Denn auch Richard Bolitho, der sich im Kampf gegen die amerikanischen Rebellen so sehr ausgezeichnet hatte, war jetzt nicht besser dran als andere. Dabei hatte er seither zwei höchst erfolgreiche Einsätze bewältigt, den letzten als Kommandant der Fregatte
Tempest
im südlichen Pazifik. Sein damaliges Gefecht mit der französischen Fregatte
Narval
und deren Geleit genoß schon legendären Ruhm. Die Meuterei auf der
Bounty
und die gräßlichen Ereignisse in Paris hatten einen berüchtigten Piratenfürsten auf den kaum verteidigten Südseeinseln freie Hand gelassen. Nur Bolithos Schiff hatte damals zwischen ihm und der Kontrolle über die britischen Handelswege zum reichen Indien gestanden.
    Und nun wartete Bolitho da draußen, hatte seit Wochen täglich auf der Admiralität vorgesprochen. Wie die meisten seiner Kollegen wußte Drew eine Menge über Bolitho. Dessen Familie in Cornwall rühmte sich einer alten Marinetradition und hatte lange unter der Schande gelitten, die auch Richard Bolitho noch schwer zu schaffen machte: Sein älterer Bruder Hugh war nach dem Duell mit einem anderen Offizier aus der Navy desertiert und in die aufständischen amerikanischen Kolonien geflohen. Dort war er dann Leutnant und – noch schlimmer – Kommandant einer von den Rebellen erbeuteten englischen Fregatte geworden.
    Auch nicht die größte Tapferkeit, nicht die makelloseste Führung konnten diesen Schandfleck auf der Familienehre der Bolithos tilgen. Immerhin hatte Richard die Schuld überreich zurückgezahlt, dachte Drew beim Durchblättern seiner Akte. Erst eine lebensgefährliche Verwundung und dann, nach dem Sieg über den Südseepiraten, ein hartnäckiges Tropenfieber. Zwei Jahre lang hatte es ihn niedergestreckt, und wenn auch nur die Hälfte von dem stimmte, was bis zu Drew gedrungen war, dann war Bolitho in dieser Zeit dem Tod nur knapp von der Schippe gesprungen.
    Ihre Lordschaften hatten also genug Anlaß, ihm endlich wieder eine Chance zu geben. Aber falls man es recht bedachte, wäre es vielleicht besser für ihn, wenn er die ihm jetzt zugedachte Aufgabe ablehnte und sich nicht um die Konsequenzen scherte.
    Drews Augen wurden schmal, als ihm einfiel, daß Bolitho eine Affäre mit der schönen Frau eines Regierungsbeamten gehabt hatte. Aber sie war nach wochenlanger Irrfahrt im offenen Rettungsboot an Fieber und Durst gestorben. Erledigt. Drew klappte die Personalakte zu. Immerhin – eine verbotene Liebe. Wenigstens eine Abwechslung nach all der spießigen Buchstabentreue und vollmundigen Pflichterfüllung, die ihm täglich von Bewerbern vorgespiegelt wurde.
    Ungeduldig griff er nach einer kleinen Messingglocke und läutete. Bringen wir’s hinter uns, dachte er. Falls es wieder Krieg mit Frankreich gab – einen Krieg, in dem der französische Erzfeind diesmal nicht von monarchistischer Ethik gezügelt würde –, mochte kein Platz mehr für die Helden von gestern sein. Englische Agenten berichteten aus Paris, daß ganze Adelsfamilien durch die Straßen geschleift und unter dem Jubel des Pöbels guillotiniert wurden. Nicht einmal Kinder wurden verschont.
    Drew dachte an seine große Familie in Hampshire und mußte einen Schauder unterdrücken. Das konnte, das durfte in England nicht geschehen.
    Sein Sekretär öffnete die Tür und meldete wie ein routinierter Schauspieler mit gesenktem Blick: »Kapitän Richard Bolitho, Sir Marcus!«
    Drew deutete scheinbar zerstreut auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Schon als Kapitän hatte er gelernt, sich keine Gefühlsregung anmerken zu lassen und trotzdem scharf zu beobachten.
    Richard Bolitho war fünfunddreißig, sah aber jünger aus.
    An der hochgewachsenen, schlanken Gestalt schlotterte der Rock des Vollkapitäns mit seinen weißen Kragenaufschlägen und Goldlitzen. Als Bolitho sich niederließ, spürte Drew dessen Anspannung, obwohl der Mann sich Mühe gab, sie zu verbergen. Die Aprilsonne fiel auf sein schwarzes Haar, aus dem eine Strähne schräg über die tiefe Stirnnarbe fiel; da war er als blutjunger Leutnant auf irgendeiner südlichen Insel verwundet worden, als sein Trupp Wasser für das Schiff bunkern wollte. Drew sah, daß die Augen, die ihm gefaßt entgegenblickten, so grau waren wie der Atlantik im Winter.
    Der Konteradmiral kam
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