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Des Koenigs Konterbande

Des Koenigs Konterbande

Titel: Des Koenigs Konterbande
Autoren: Alexander Kent
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Vater gedient –, aber sehr gut gefedert, und seine Bewegungen fühlten sich an wie die eines Bootes im Seegang. Dunkelgrün lackiert, trug jeder Wagenschlag das Wappen der Bolithos, umrahmt von dem Spruch:
Für meines Landes Freiheit.
    Während Bolitho zwischen den schier endlosen grünen Mauern der regennassen Hecken dahinrollte, tastete er nach dem Marschbefehl in seiner Tasche:
Sie haben sich unverzüglich zur Nore zu begeben …
Über den breiten Fluß Medway, durch die kleinen Orte entlang der Landstraße nach Chatham, dann vorbei am Royal Dockyard, der Werft der Kriegsmarine, und schließlich auf die offene See … Befehlshaber wovon? Bisher hatte man ihm nur gesagt, daß er dem Standortkommandeur, einem gewissen Ralph Hoblyn, unterstellt war. Dieser Name war ihm wenigstens ein Begriff, denn Hoblyn hatte auf der mittelamerikanischen Station tapfer gekämpft, bis er bei der Entscheidungsschlacht in der Chesapeake Bay 1781 schwer verwundet worden war. Hatten sie auch ihn abgeschoben?
    Ferguson gähnte und richtete sich auf. »Sind wir nicht bald in Rochester, Sir?«
    Bolitho zog seine Taschenuhr heraus und wappnete sich gegen die schmerzliche Erinnerung, als er den Deckel aufschnappen ließ. Denn sie hatte ihm diese Uhr geschenkt, als Ersatz für seine im Kampf verlorene: Viola Raymond.
    Unzählige Male hatte er sie in Gedanken erneut zum Leben erweckt, um wieder ihr Lachen zu hören, das Licht in ihren Augen funkeln zu sehen. Seine geliebte Viola… Manchmal erwachte er nachts schweißgebadet und rief ihren Namen, spürte sie wieder seinen Armen entgleiten wie an jenem furchtbaren Tag im Rettungsboot. Sie vor allen anderen hatte gelitten unter der Hoffnungslosigkeit ihrer Situation, unter der gnadenlosen Sonne, dem verzehrenden Durst und Hunger und schließlich unter dem schleichenden Wahnsinn der Schiffbrüchigen. Aber dennoch hatte sie ihnen allen aus verborgener Quelle Kraft gegeben, hatte die versengten Gesichter, die aufgeplatzten Lippen zum Lächeln gebracht. Des Captains Lady, hatten sie sie genannt.
    Dann, am letzten Tag, als Bolitho schon wußte, daß sie
Tempest
wiedergefunden hatten, war sie von allen unbemerkt gestorben. In den Alpträumen, die Bolitho danach quälten, kehrte ein fürchterliches Bild immer wieder: wie Allday ihren schmalen Körper, an den als Gewicht ein Anker gebunden war, über Bord gleiten ließ. Im dunklen Wasser sank die weiße Gestalt immer tiefer, wurde kleiner und kleiner und verschwand schließlich außer Sicht. Ohne Allday hätte er damals den Verstand verloren. Und noch heute konnte er nur mit schneidendem Schmerz an Viola denken.
    Bolitho starrte immer noch die Taschenuhr in seiner Hand an. »Wir sollten bald den Medway sehen«, sagte er schließlich.
    In seiner Stimme schwang eine Mutlosigkeit mit, die Ferguson aufblicken ließ. Das dunkle kluge Gesicht, die grauen Augen, die heiter, aber auch mitleidig blicken konnten – sie waren noch die gleichen. Und trotzdem war ihnen irgendetwas verlorengegangen, dachte Ferguson. Vielleicht für immer.
    Der alte Matthew rief dem Pferdeknecht etwas zu, und die Kutsche kam auf einer Hügelkuppe langsam zum Stehen.
    Matthew verabscheute die Dienste von Pferdeknechten, war er doch seit seinem achtzehnten Jahr, als er Kutscher bei den Bolithos geworden war, selber vier-, manchmal sogar sechsspännig gefahren. Aber es war noch weit bis zur letzten Poststation vor Falmouth, wo er endlich seine eigenen Braunen würde vorspannen können; es hieß, daß er sie mehr liebe als seine Frau.
    Allday knurrte draußen: »Hier doch nicht, Matthew. Auf
seinen
Beistand kann ich verzichten.«
    Die Kutsche fuhr wieder an, die Pferdehufe kratzten über die steinige Straße, Zaumzeug klimperte wie Schlittenglocken.
    Bolitho öffnete das Seitenfenster und sah den Anlaß für Alldays Abscheu.
    Sie hatten an einem einsamen Kreuzweg gehalten. Ein steinerner Wegweiser mit der Aufschrift
London 30 Meilen
teilte sich die Hügelkuppe mit einem Galgen, an dem menschliche Überreste gespenstisch im nassen Wind pendelten.
    Als sie unten in der Senke hielten, stieg Bolitho aus und stampfte auf den Boden, um die Zirkulation in seinen Beinen wieder anzuregen. Die Luft schmeckte schon nach Salz, und hinter einer Reihe windzerzauster Bäume sah er das breite, gewundene Band des Medway. Von hier aus wirkte es glatt und unbeweglich, eher wie Zinn als wie Wasser, das eilig der See zuströmte.
    Von Regenschleiern verhangen, lag im Hintergrund die alte Stadt Rochester; am
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