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Des Doktors Spielchen

Des Doktors Spielchen

Titel: Des Doktors Spielchen
Autoren: Linda Ostrawskie
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stand Manni, der Haus-und Hofkalfaktor im Raum. Er sah Martin an und sagte: »Lass den Doc nicht warten. Er wird sehr leicht wütend. Dann schiebt er dir in den Arsch, was sich in seiner Reichweite befindet, und wenn es ein Stuhlbein ist!«
    Martin erschrak. War die Stunde vorbei? Er sprang auf und hätte Michel dabei fast den Ellenbogen ins Gesicht gerammt. «Sorry!«
    »Ist schon gut, wenn der Doc auf mich warten würde, wäre ich auch nervös. Ist nicht einfach, mit ihm klarzukommen!«
    Manni packte Martin an der Schulter: »Hau rein, Junge!«
    Unsicher, ob er dem größeren Übel gerade entkommen war oder ob es möglicherweise noch vor ihm lag, schnappte sich Martin die Jeanshose und folgte dem Kalfaktor eilig.
    Draußen auf dem Flur versuchte Martin, dem durch die Gänge hetzenden Hausbetreuer ein paar Dinge über diesen ominösen Arzt zu entlocken. Was er bisher über ihn zu hören bekommen hatte, gefiel ihm nicht. Doch Manni gab sich zugeknöpft. Er sagte nur: »Jeder Mensch muss seine Erfahrungen selbst machen! Vielleicht kann er dich ja gut leiden. Dann ist er womöglich nett zu dir. Aber, jetzt komm! Du solltest unbedingt pünktlich sein. Fordere dein Glück nicht heraus!«
    Martin fragte sich im Stillen, was es wohl bedeuten könnte, wenn der Doc nicht gut zu ihm wäre. Langsam begann sich seine Körpertemperatur zu erhöhen. Wegen des Muffensausens, das er ohne Frage hatte, und weil sie schon eine kleine Ewigkeit durch Gänge und über Treppen sausten. Dieses Haus schien wirklich riesig zu sein. Dann stolperte Martin auch noch über seine eigenen Füße, als er sich gleichzeitig vorwärts bewegen und in die mitgebrachte Jeans steigen wollte. Er strauchelte und fiel hin. Dabei biss er sich auf die Lippe. Ein winziger Riss entstand, aus dem ein paar Tropfen Blut hervorquollen. Er leckte sie ab und lief weiter. Der metallische Geschmack, den das Blut auf seiner Zunge erzeugte, erinnerte Martin an etwas. Doch er fand sich im Moment nicht in der Lage, darüber nachzudenken. Er musste laufen, nach Möglichkeit den Rest des Weges unfallfrei überstehen. Manni verschwand schon auf dem nächsten Treppenabsatz. Er schien erstaunlich fit zu sein. Martin gab Gas.
    Endlich waren sie an Huberts Büro angekommen. Der Hausmeister riss die Tür zum Vorzimmer auf und schob Martin hinein.
    »Glück gehabt!« Holger empfing ihn mit einem Blick auf seine Uhr und hob den Hörer des Telefons vor ihm auf dem Schreibtisch ab. »Er ist hier!«
    Der Doc war wirklich eine außergewöhnliche Erscheinung. Er musste eine Körperlänge von mindestens zwei Metern haben. Der Mann trug Uniform. Die Hose dunkelblau mit goldfarbenen Tressen an den Seitennähten, die Jacke aus rotem Samt gefertigt, versehen mit pompösen goldenen Knöpfen und Schulterstücken. Martin erinnerte diese Kleidung an die eines mittelamerikanischen Diktators. Einer von denen, die sich durch Brutalität und Rücksichtslosigkeit auszeichneten. Wollte er sich damit Respekt verschaffen? Reichte ihm der weiße Kittel nicht mehr, der ihn automatisch zum Halbgott beförderte? Der Mann, er war schätzungsweise um die Sechzig, hatte ergrautes, kurz geschorenes Haar und fast farblose, wässrige Augen. Sein Teint war tief gebräunt und faltig, vermutlich mitgenommen von zu viel Sonne, zu viel Alkohol, zu viel ungezügelter Lebensdurst. Manche Menschen trugen ihre Lebensart ins Gesicht gemalt, zeigten sie unbewusst herum. Dieser Doc gehörte offenbar dazu.
    Hubert begrüßte Martin mit einem einladenden Lächeln. Er bat sich zu sich an den Schreibtisch, hinter dem er saß. »Das ist Doktor Friedmann. Er wird ein paar Untersuchungen an dir vornehmen. Nur zu unserer und deiner Sicherheit und für ... «, er lachte, »für ihn und sein kleines technisches Wunderwerk!«
    »Was denn für Untersuchungen? Ich bin kerngesund!« Martin war verunsichert. Der Mann in seiner Fantasieuniform vermittelte ihm nicht den Eindruck, dass er sich aus medizinischen Gründen hier aufhielt.
    »Du weißt doch, Martin: Die Wünsche unserer Kunden sind uns heilig. Doktor Friedmann ist heute hier, weil wir einen kleinen Film benötigen. Ein Kunde möchte sehen, wie du dich dabei machst. Das ist dein Job, Junge!«
    Frank, der Fotograf, den Martin am ersten Tag kennen gelernt hatte, betrat den Raum durch eine unscheinbare Nebentür. Er trug Stativ und Kamera bei sich. Sein »Hallo in die Runde!« klang unaufgeregt und ruhig. Wie schon bei den letzten Fotoaufnahmen legte Frank auch heute Professionalität
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