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Des Abends eisige Stille

Des Abends eisige Stille

Titel: Des Abends eisige Stille
Autoren: Susan Hill
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seinen Poststapel auf und blätterte ihn durch.
    »Ja.«
    »Die Hormone.«
    »Nein, mein Bruder.«
    »Die Hormone.«
    »Ach, halt die Klappe, du Mistkerl, ich weiß, ich weiß. Aber die Geburt war nicht erst gestern, und die Hormone bringen mich nicht dazu, wegen nichts in Tränen auszubrechen. Ich kann es nicht ertragen, mit jemandem, den ich liebe, im Streit zu sein, ich kann es nicht ertragen, Si zu verärgern und schreckliche Sachen zu sagen und zu hören, wie wütend ich ihn gemacht habe.«
    Chris warf eine Menge aufgerissene Briefumschläge und Werbesendungen in den Mülleimer und setzte sich neben sie.
    »Ich weiß. Trotzdem musste es gesagt werden. Er verhält sich Frauen gegenüber mies und hat Diana ohne guten Grund verletzt. Diese Seite von ihm betrachtest du nicht gerne – und warum auch? Mir geht es genauso. Er ist uns wichtig.«
    »Ich wünschte, dieser Sache bei ihm auf den Grund gehen zu können. Aber das ist mir nie gelungen.«
    »Eines Tages wird es jemandem gelingen, und das wird ihm den Schock seines Lebens versetzen.«
    »Sie tut mir leid.«
    »Er wird sich besserfühlen, weil er wenigstens einen Fall rasch abschließen konnte.«
    »Hast du heute irgendwas Neues gehört?«
    »Nein, nur das, was in den Nachrichten kam. Ich glaube, das Kind hat auf etwas aufmerksam machen wollen – ›Sieh mich an, ich bin immer noch da‹.«
    »Arme Kleine. Sie ist diejenige, um die sich alle kümmern sollten, weißt du.«
    »Also, es gibt etwas, worüber ich mit dir reden möchte … etwas Wichtiges.«
    »Was ist passiert?«
    »Was Gutes. Zumindest glaube ich das. Mir ist ein Job angeboten worden.«
    »Was soll das heißen? Du suchst doch nicht nach einem Job.«
    »Dachte ich auch. Aber … ich bin von einem Pharmakonzern angesprochen worden. Sie wollen ihr neues Asthmamittel ganz groß herausbringen. Die Studien sind phantastisch gelaufen, es ist möglicherweise die größte Sache seit Salbutamol – könnte starke Asthmaanfälle bei Kindern um ein Drittel verringern … sogar Todesfälle verringern. Die wollen, dass ich das Team leite. Sie brauchen einen Arzt mit speziellem Interesse an Asthma.«
    »Du hast kein spezielles Interesse an Asthma.« Cat sah ihn eindringlich an, bis er den Blick abwandte. »Ich glaube, du kannst mir noch nicht mal in die Augen sehen. Was, zum Teufel, denkst du dir? Pharmakonzern? Ist das Chris Deerborn, der hier sitzt? Du verachtest Ärzte, die Arzneimittel durchdrücken wollen. Hast du schon immer.
Hat sich verkauft
. Wie oft hab ich dich das sagen hören?
Hochgejubelte Ergebnisse. Lassen sich vor den Pharmakarren spannen
 … Himmel, Chris, wie kommst du darauf?«
    »Ich komme darauf«, antwortete er leise, »weil ich mich in einem Zustand vollkommener Erschöpfung befinde. Einem Zustand, der es mir unmöglich macht, noch viel länger ohne Partner durchzuhalten, keine Vertretung zu finden, ein kleines Vermögen für den ärztlichen Bereitschaftsdienst auszugeben. Ein Zustand, in dem ich von dem verdammten Regierungspapierkram über Ziele und Quoten und alles Mögliche zugeschüttet werde, statt mich um kranke Menschen zu kümmern. Ich weiß nicht, wohin ich mich wenden soll. Das ist der Grund, warum ich darauf komme.«
    »Du meinst es ernst, nicht wahr?«
    »Absolut. Himmel, Cat, ich möchte meine Hausarztpraxis nicht aufgeben. Ich liebe sie. Ich liebe die praktische Medizin, habe sie schon immer geliebt. Aber im Moment fühle ich mich total ausgebrannt.«
    »Die Antwort darauf ist nicht, dass du in Zukunft für einen Pharmakonzern arbeitest.«
    »Dann sag mir, was die Antwort ist.«
    »Dass ich zurück zur Arbeit komme, natürlich. Ich werde Felix zu Sally bringen, jeden Morgen eine Sprechstunde abhalten und darauf hinarbeiten, dass ich früher als geplant wieder voll im Geschirr bin. QED .« Sie stand auf. »Ich mache uns Suppe und Toast.«
    »Klingt gut. Aber du kannst nicht zurückkommen, der ganze Sinn dieses einen Jahres lag darin, dass du …«
    »Ich weiß, doch das war, bevor du so ausgelaugt warst, dass du anfängst, über Pharmakonzerne zu reden. Angesichts dessen ist mein Zuhausebleiben ein übertriebener Luxus, so schön es ist, mit Felix im Arm auf dem Sofa zu sitzen und Maeve Binchy zu lesen. Gib mir noch eine Woche, dann fange ich wieder an.«
    »Ich wage nicht, mit dir zu streiten, wenn du diesen Blick hast. Wenn ich zustimme …«
    »Dir bleibt keine andere Wahl, Junge.«
    »Wenn …, wirst du dann Si anrufen?«
    »Nein.«
    »Oh, werd erwachsen,
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