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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel
Autoren: Andrea Camilleri
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Kleine spielt?«
      Mamà wollte ihm gerade antworten, als es an die Tür klopfte. Da stand sie auf und ging öffnen. Sie fand sich vor einem Mann, der auf seiner Schulter einen großen Karton trug, der sehr schwer sein mußte.
    »Was ist das?« fragte Mamà.
      »Wo stell ich den ab?« fragte seinerseits der Mann, der die Last so schnell wie möglich loswerden wollte.
      »Es ist das Radio, das du dir gewünscht hast«, sagte Papà, der aufgestanden war und auch den Teil der Tür öffnete, der immer zu war.
    Mamà stieß einen Freudenschrei aus.
      »Stellen Sie ihn hier hin«, sagte sie und deutete auf eine Ecke im Zimmer. »Hier ist eine Steckdose.«
      Der Mann stellte das Paket da ab, wo Mamà es wollte, aber er machte es nicht auf.
    »Später«, sagte er, »kommt Signor Contino vorbei, der es aufbaut und Ihnen erklärt, wie es funktioniert.«
      Der Mann ging fort, und Mamà blieb vor dem Karton stehen, hatte ihre Hände wie zum Gebet gefaltet, wie sie es manchmal vor der Heiligen Jungfrau tat. Papà nahm sie am Arm.
      »Michilì, ich und Mamà gehen jetzt ein bißchen schlafen. Du bleibst hier und spielst und versuch bitte, keinen Schaden anzurichten.«
      Kaum hatte er gehört, daß sie den Schlüssel ins Schloß steckten und die Schlafzimmertür abschlossen, setzte er sich rittlings auf einen Stuhl, und mit dem Revolver in der Hand galoppierte er über die unendlichen Prärien des Wilden Westens auf der Jagd nach Indianern. Diese Indianer hatten nicht nur eine rote Haut, sondern waren auch angemalt und hinterhältig, und wenn sie den Feind mit Pfeilen niedergestreckt hatten, lösten sie die Schädelschwarte mit allen Haaren ab, und dieses Ding hieß Skalp. Er hatte ein paar Figuren aus einem der Groschenhefte herausgeschnitten, die sein Vater ihm jede Woche kaufte, daher wußte er, wie er es machen mußte: Dem ersten Indianer, den er tötete, nahm er den Skalp ab, auf diese Weise würde auch der Indianer spüren, was er seinen Feind spüren ließ. Doch so sehr er auch umherblickte, sogar mit der Hand als Visier über den Augen, um sich vor dem Sonnenschein zu schützen, konnte er in der Prärie auch nicht einen Indianermann ausmachen. Wie war das nur möglich? Sollten sie etwa flach auf der Erde liegen und wie Schlangen vorwärtskriechen? Es klopfte. Er stieg vom Stuhl und ging öffnen. Da stand jemand mit einem Paket.
      »Ich heiße Contino. Rufst du mal deinen Vater oder deine Mutter?«
    Und während er das sagte, trat Signor Contino ein und machte sich daran, das große Paket zu öffnen. Michilino blieb vor der Schlafzimmertür stehen, doch bevor er klopfte, lauschte er erst einmal, ob sein Vater noch wach war oder bereits schnarchte, wie er es immer im Schlaf tat. Sie schliefen nicht, weder Papà noch Mamà, sie machten die gleichen Geräusche, die er manchmal nachts hörte, Papà, der wie ein Blasebalg so schwer atmete, Mamà, die »ah! ah!« winselte, und das Bett, das hüpfte. Er hob die geballte Hand und klopfte. Schlagartig hörten die Geräusche auf.
    »Papà.«
    »Was willst du, du Stinksack?« fragte Papà wütend.
    »Signor Contino ist da.«
    Er hörte, wie sein Vater sakramentierte.
    »Sag ihm, ich komme gleich.«
      Er ging zurück und sagte es und blieb verwundert stehen, um das Radio anzuschauen. Das war ein Möbelstück auf vier Beinen, groß und glänzend, mit etwas, das aussah wie eine viereckige Uhr, mit etwas draufgeschrieben, und unterhalb der Uhr waren vier große Knöpfe, die man drehen konnte. Signor Contino steckte den Stecker in die Steckdose, die viereckige Uhr fing an zu leuchten, und dann gab es eine Entladung, die wie ein Gewitterblitz aussah.
      Voller Angst sprang Michilino zurück. Dann kam Papà, der ein klein wenig verärgert war.
      »Buongiorno«, sagte er trocken. »Ich habe Sie später erwartet.«
    »Habe ich Sie gestört?« fragte Signor Contino.
      »Sie wissen ja, wie das ist«, sagte Papà. »Ich war gerade eingeschlafen.«
    Was war denn das? Erzählte sein Vater jetzt Lügenmärchen? Es stimmte doch gar nicht, daß er geschlafen hatte. Und Mamà sagte immer und immer wieder, daß der Herr Jesus auch für die Lügen leidet, die alle, Männer wie Frauen, auf der ganzen Welt erzählten. Aber er würde es niemals zulassen, daß der Herr Jesus um seines Vaters willen leiden mußte. Für diese Sünde sollte er bezahlen. Er hob den Revolver, zielte und schoß zweimal, tschack-tschak, mitten in die Stirn. Nachdem Signor Contini erklärt hatte,
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