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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel
Autoren: Andrea Camilleri
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darauf und machte sich eilig sauber.
      »Morgen zur gleichen Zeit«, sagte Balduzzo, als er hinausging.
    Insgesamt gelang es ihnen, sich noch zweimal in der Strohscheune zu treffen. Und bei jedem Mal, wenn Balduzzo nach sechs oder sieben Stößen kam, wurde Mariettas Schmerz größer. Es war, als ob an einem heißen Sonnentag, an dem sogar die Eidechsen ohnmächtig werden, ein verdurstender Mann einen Krug mit frischem Wasser vor sich sähe, doch wenn er die Hand ausstreckte, um ihn zu fassen, der Krug zu Boden fallen, das Wasser sich auf die Erde ergießen und der Mann noch durstiger als vorher würde. Beim letzten Treffen betrachtete Marietta Balduzzo absichtlich, der nackt neben ihr lag, sie wollte ihn im Geist immer bei sich tragen für die lange Zeit, in der sie ihn nicht mehr sehen konnte. Während der junge Mann sich wieder die Unterhosen anzog, dachte Marietta, daß Balduzzos Rute im Ruhezustand haargenau so war wie die von Michilino.
    »Baldù, und was, wenn du mich geschwängert hast?«
      Balduzzo küßte sie auf den Mund, und Marietta schossen Tränen in die Augen.
      »Mach dir keine Sorgen. Sobald ich den Militärdienst hinter mir habe und nach Hause komme, verloben wir uns, und dann heiraten wir.«
    Michilino widerfuhren dagegen sehr viele und sehr unterschiedliche Dinge. Am zweiten Sonntag im Juli kam in aller Frühe Nonno Aitano an, Mamàs Vater, in seinem Automobil, einem Lancia Astura, packte die ganze Familie hinein und brachte sie aufs Land, nach Cannateddru, wo er ein Haus besaß. Dort erwartete ihn seine Frau, Nonna Maddalena, die schon um sieben in der Frühe aufgestanden war, um ein großes Essen vorzubereiten: Pasta mit Ragout, Zicklein im Rohr mit Kartoffeln, gebratene Salsicce. Papà hatte eine Cassata gekauft. Die Großen aßen und tranken mit großem Appetit, Michilino ebenso. Und am Ende verputzte er noch zwei Scheiben Cassata mit zwei Limonaden. Nach dem Mittagessen legten sich die Erwachsenen auf die Betten, während Michilino wach blieb und sich selbst überlassen war. Er fühlte sein Blut blubbern wie die Limonade, die er getrunken hatte, leicht und spritzig. Daher beschloß er, daß mit aller Sicherheit dies der Ort war, wo er endlich einen Indianer töten und auch seinen Skalp nehmen würde. Den Revolver, um ihn zu erschießen, hatte er ja schon. Er ging in die Küche, nahm ein scharfes langes Messer mit einer Spitze und schlich sich aus dem Haus. Er war felsenfest der Überzeugung, daß dies genau der richtige Tag war. Als er sich vom Haus zum Gemüsegarten hin entfernte, bemerkte er eine Art Bewegung und Lebendigkeit zwischen den Blüten und Blättern des Jasminbuschs. Er erstarrte, sein Arm mit dem Revolver war ausgestreckt, sein Herz raste. Und aus dem Busch trat ein Indianer hervor. Ein kleiner Indianer, der bellte und auf ihn zulief. Klein zwar, aber immerhin ein wilder, hinterhältiger Indianer. Michilino stand still, nahm das Ziel ins Visier und ballerte das gesamte Magazin auf ihn ab. Er mußte ihn wohl verletzt haben, denn das Indianerjunge kroch auf seine Füße. Michilino legte den Revolver auf die Erde, den er jetzt nicht mehr gebrauchen konnte, packte das Messer mit beiden Händen und stieß es mit aller Kraft in den Hals des Indianers, wobei er gleichzeitig einen Schritt zurück machte. Der Stoß hatte den Hals des Feindes durchbohrt und ihn an die Erde geheftet. Michilino sah ihn sterben, zuvor wand sich der Feind, fast schraubte er sich, um sich zu befreien, dann durchfuhr ihn ein unbändiges Zittern, das immer schwächer wurde, während weiter ein Winseln aus seinem kleinen weit aufgerissenen Maul kam, aus dem sich Blut und Speichel erbrachen. Als Michilino sicher war, daß sein Opfer nicht mehr lebte, setzte er sich, richtete den Kopf des Indianers sorgfältig aus und fing an, mit der Messerspitze zu hantieren. Er versuchte es immer wieder, irrtümlich bohrte er ihm ein Auge aus, irrtümlich schnitt er ihm ein halbes Ohr ab, aber es gelang ihm nicht, den Skalp abzuziehen. Augenscheinlich verlangte dies eine Erfahrung, die er noch nicht besaß. Schweren Herzens ließ er ab. Er packte den Kadaver beim Schwanz und versteckte ihn hinter dem Jasminbusch. In einem Eimer Wasser, der neben dem Brunnen stand, wusch er das Messer, goß das rötlich gewordene Wasser auf der Erde aus, nachdem auch er sich die Hände gereinigt hatte, brachte das Messer zurück in die Küche und atmete tief ein. Er war zufrieden.
    Das andere Erlebnis war am zehnten August, als er bei
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