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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel
Autoren: Andrea Camilleri
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»Französischer Schampanjer!«
      Und legte sie in den Eiskasten. Sie aßen Pasta im Rohr, Schwertfisch, Cannoli und Cassata. Michilino schlang alles hinunter, die einzige Gefahr war ein noch größeres Bauchweh als das, was er hatte. Am Ende hatten Marietta und Papà einen Liter Wein getrunken. Marietta holte eine Flasche Schampanjer. Papà ließ den Korken knallen, füllte die Gläser, einschließlich das Michilinos, sie standen auf und stießen auf die Gesundheit an.
    Doch Papà sagte: »Einen Augenblick!«
      Und holte aus der Tasche eine Schachtel, die er Marietta hinhielt.
    »Mit herzlichen Glückwünschen.«
      Drinnen war ein Armband aus hochkarätigem Gold. Michilino erwartete die üblichen Szenen mit Dankesküssen, doch Marietta blieb unbeweglich an ihrem Platz und sah Papà in die Augen.
    »Ja«, sagte sie.
    Papà wurde auf der Stelle viel fröhlicher als vorher.
    »Auf die Gesundheit unserer geliebten Marietta!«
      Michilino machte den Mund nicht auf, er trank sein Glas Schampanjer leer, und auf der Stelle überkam ihn eine große Müdigkeit.
    »Ich geh' schlafen. Buona notte.«
      »Warte, ich richte dir noch deine Arznei«, sagte Marietta ungestüm.
      Sie stand eilig auf, nahm ein Glas, füllte es mit ein bißchen Wasser und ging in die Kammer. Michilino wollte ihr nach, aber Papà hielt ihn fest.
    »Gib mir einen Kuß.«
    Das hatte er mit Gewißheit absichtlich getan, um Marietta Zeit zu geben, ihn in einen Tiefschlaf zu versetzen. Vor der Cousine, die ihn ansah, tat er so, als würde er die Arznei trinken, aber er schluckte sie nicht hinunter, in der Hoffnung, daß Marietta den Trick nicht merken würde. Marietta sagte nichts. Er ging in die Küche und spuckte gerade ins Spülbecken, als ein Hustenanfall ihn zwang, die Hälfte hinunterzuschlucken.
      Der Teufel hatte es also geschafft! Er war verdammt, zu schlafen! Untröstlich zog er sich aus, wusch sich, zog das Nachthemd über und legte sich hin.
      »Lieber Herr Jesus, hilf mir!« war der letzte Gedanke, bevor er wie vom Blitz getroffen wegsank.

    »Soldat Sterlini Michilino!« rief ihn gebieterisch die Stimme, die er so gut kannte. »Die Stunde ist gekommen! Erhebe dich, und tu deine Pflicht!«
      Er öffnete die Augen, Mariettas Bettseite war leer. Er begriff, daß das Fieber ihn weichgekocht haben mußte, es mußte auf vierzig gestiegen sein. Er stand auf, stellte die Füße auf den Boden, merkte aber, ohne sich weiter darüber zu wundern, daß er ungefähr zehn Zentimeter über dem Boden in der Luft schwebte. Es war der liebe Herr Jesus, der ihm half, weniger Mühe zu haben. Er nahm die Muskete, die er neben der Tür stehen hatte, steckte das Bajonett auf und befestigte es. Er ging, ohne daß es notwendig war, Schritte zu tun, es war ganz genau wie bei einer Statue, die in der Prozession herumgetragen wird. Das Licht im Schlafzimmer war an. Er schaute. Wie lange hatte er darauf gewartet, das zu sehen, was er nun sah! Wie lange wußte er schon, daß er sie früher oder später so vorfinden würde!
      Marietta lag nackt auf dem Bett, mit dem Bauch nach oben, und schlief neben Papà, der, ebenfalls nackt, auf der Seite lag und schnarchte.
    Sie hatten unzüchtige Dinge getrieben, sie hatten gevögelt, ungezügelt gefickt wie Schweine, wie Tiere, die sie auch waren, und jetzt, müde und betrunken, waren sie in einen bleiernen Schlaf gesunken. Das Zimmer roch nach Weib.
    »Ans Werk«, sagte Michilino zu sich selbst.
      Er trat zu Marietta und stieß ihr das Bajonett in die Kehle. Die Wucht des Stoßes war derart, daß der Hals des Teufels auf die Matratze genagelt wurde. Und Michilino verstand, daß diese Wucht nicht von ihm kam, sie war ihm verliehen worden, um seine Pflicht zu erfüllen. Das einzige Zeichen, das Marietta von sich gab, war, daß sie auf der Stelle die Beine anzog, so daß die Knie fast ihre Brüste berührten, danach streckte sie sie wieder aus und bewegte sich nicht mehr. Michilino zog das Bajonett nach ungefähr zehn Minuten wieder heraus, das Blut färbte das Kissen und die Bettdecke rot.
    »Weiter.«
      Er begab sich zu Papàs Seite, immer noch in der Luft schwebend, und wurde vorwärtsgeschubst. Er bückte sich und gab ihm einen Kuß auf die Stirn.
      »Ich hab' dich lieb, Papà, obwohl du eine Todsünde begangen hast.«
      Papà machte eine Bewegung, wie wenn er eine Fliege verjagen wollte, und drehte sich auch mit dem Bauch nach oben aufs Bett. Besser so, diese Stellung war sicherer. Michilino
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