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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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aufzustehen, bist aber wieder hingefallen. Da ist Signor Palminteri unter diesem sintflutartigen Regen herausgekommen aus seinem Geschäft und hat gesehen, daß du dich verletzt hattest.«
    »Mit was?«
    »Er sagte mir, daß genau neben dir das Stück einer Holzplatte mit einem hervorstehenden Nagel lag. Du bist auf diesen Nagel gefallen. Unglückseligerweise war dein Mantel aufgeknöpft, sonst hättest du dir nicht so weh getan. Der Nagel hat das Hemd, das Unterhemd und dann die Brust durchbohrt.«
      »Und wie ist es gekommen, daß er nicht in mir steckengeblieben ist?«
    »Man sieht, daß das Stück Holz heruntergefallen ist, als du den
    Versuch gemacht hast, wieder aufzustehen. Als Signor Palminteri es mir erzählt hat, durchfuhr es mich. Ich dachte daran, daß der Nagel rostig gewesen sein könnte …«
    »Und wie war er?«
      »Weiß ich nicht, sobald Signor Palminteri es mir gesagt hatte, bin ich zu der Stelle gegangen, wo du hingefallen bist, doch das Stück Holz war nicht mehr da. Aber man sieht, daß der Nagel nicht rostig war, weil …«
      Und hier hielt er inne. Den Satz setzte Michilino fort, allerdings nur im Geist.
      »… du keinen Tetanus bekommen hast so wie Alfio Maraventano.«
      »Erinnerst du dich an das, was du in den Abwasserkanal geworfen hast?« fragte Papà, und man konnte sehen, daß ihm diese Sache keine Ruhe ließ.
      Was für eine blöde Frage war denn das? Wenn Papà doch jetzt wußte, daß er sich an nichts erinnerte, weshalb sollte er, Michilino, sich dann an das erinnern, was er in den Abfluß geworfen hatte? Er hätte die gleiche Bewegung wie vorher machen können, die alles und nichts bedeutete, oder er könnte die Wahrheit sagen.
      »Daran erinnere ich mich, weil das war, bevor ich hingefallen bin. Ich hab' ein Taschenmesser weggeworfen.«
    »Du hattest ein Taschenmesser?«
    »Ja, ich hatte es von einem Freund eingetauscht.«
    »Und wieso hast du's weggeworfen?«
      »Weil man sich mit einem Taschenmesser Verletzungen zufügen kann.«
      Perfekte Antwort, es gab nichts Besseres als eine verlogene Wahrheit.
    »Gut so, Michilino!« sagte Papà denn auch.

    Bei seinem letzten Besuch sagte der Arzt, daß Michilino nun völlig geheilt sei und das Haus verlassen könne, wann er wolle, auch zum faschistischen Samstagstreffen. Die Narbe sei ganz klein, und im Laufe der Zeit würde man sie nicht einmal mehr sehen können. Natürlich mußte er diese Verletzung allen zeigen, denn alle wollten sie sehen, von der Lehrerin Pancucci bis zum Kommandanten Scarpin, von Prestipino bis zu seinen Balillakameraden. Scarpins Kommentar war: »Es wäre besser gewesen, du hättest dein Blut für die Eroberung von Makallé vergossen!«
      Und weil er gesund war, schlief er wieder mit Marietta in der Kammer, während Papà erneut das große Bett in Besitz nahm. Nun kam Papà nicht mehr spät nachts zurück nach Hause, im Gegenteil, es verging kein Abend, an dem er nicht mit Marietta und Michilino aß. Er wirkte wieder zufrieden und ausgeglichen. Vielleicht, dachte Michilino, entwickelten sich die Dinge mit Mamà besser; eines Tages würde Mamà nach Hause zurückkehren, und dann mußte Marietta wieder zurück zu sich. Denn Michilino ertrug sie nicht mehr, ihm gegenüber hatte sie sich als Lügnerin erwiesen. Und eines Abends, als sie sich gerade hingelegt hatten, wollte er es ihr auch sagen.
    »Du hast mich hinters Licht geführt.«
    »Ich?«
    »Ja, du. Du hast mir gesagt, daß diese Dinge zwischen Verlobten nur eine läßliche Sünde sind, in Wirklichkeit aber sind sie allerschwerste Todsünde.«
    »Und wer hat dir das gesagt?«
    »Padre Jacolino.«
      »Wieso hast du Padre Burruano nicht gefragt, welche Art von Sünde er beging, wenn er mit deiner Mutter gefickt hat?«
      Die Gewalt in dieser Antwort brachte die Wunde, die er in der Brust hatte, fast wieder zum Schmerzen, so, als wäre sie ihm gerade erst zugefügt worden.
      »Du bist verdammt und wolltest, daß auch ich verdammt werde. Der Teufel ist in dich gefahren und läßt dich reden, wie du redest.«
      »Wenn du nicht hören willst, wie der Teufel redet, dann sei still und schlaf und geh mir nicht auf die Nerven.«
      »Und ich werde Papà erzählen, wozu du mich angestiftet hast.«
      »Sag's ihm doch. Dann werden wir schon sehen, ob dein Vater dir mehr glaubt oder mir, denn ich werde alles abstreiten. Schlaf jetzt, du kleiner Scheißkerl.«
    Das Denkmal für die Gefallenen des Großen Krieges stellte einen

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