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Der zeitlose Winter

Der zeitlose Winter

Titel: Der zeitlose Winter
Autoren: James A. Owen
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Sturms. »Ihr seid nur zu zweit! Nur zu zweit! Das kann unmöglich ausreichen!«
    »Zwei werden ausreichen«, gab Hammurabi mit zusammengebissenen Zähnen zurück. »Zwei werden ausreichen, das schwöre ich dir!«
    Damit stieß er einen Schrei aus und warf sich über die Steinbarrikade. Ham landete im Gestrüpp auf der anderen Seite und rannte sofort weiter. Mehrere dutzend Meter trennten ihn von seinem Bruder, und der Tumult in der Luft erschwerte ihm das Laufen.
    Duk verlor Ham und Fisch inmitten der Wirbel aus Staub und Schutt aus den Augen und überlegte bereits, ob er alle Vorsicht aufgeben und sich in das tobende Unwetter begeben sollte. Da zerriss ein Donnerschlag den Himmel und warf ihn und den Skalden auf den Boden der Höhle. Das Beben ließ nicht nach, sondern schien mit jeder Sekunde stärker zu werden, bis die Luft selbst von einem tiefen Trommeln erfüllt war, das seine Knochen vibrieren ließ.
    Als Duk sich auf die Felsen hinaufzog, hinter denen er Zuflucht gesucht hatte, sah er, dass es mehr als Donner gewesen war: Eine Entladung war auf das terrassenförmige Feld niedergegangen und hatte nur noch die beiden Brüder übrig gelassen. Dort standen sie, hielten einander bei den Händen, den Rücken durchgebogen, und schrien den Himmel an.
    Vor Duks Augen verdichteten sich die Dämonengespinste und bösartigen Nebel, die um die Felder wirbelten, als würden sie eines Opfers harren – doch dazu sollte es nicht kommen. Hammurabi und Fischmehl hatten gleichzeitig die Köpfe sinken lassen. Schweiß strömte an ihren zitternden Körpern hinab und sie wurden von einem Krampf geschüttelt. Duk konnte den Blick nicht abwenden.
    Sie begannen zu wachsen.
     

     
    Die Brüder wuchsen zur Größe von Riesen empor, dem Himmel entgegen. Sie verwandelten sich in Monolithen und waren schließlich zu gewaltig, um noch einen Vergleich zuzulassen. Ihre fest miteinander verbundenen Gestalten begannen zu zerfließen und wurden immer durchsichtiger, bis sie vor der Dunkelheit des Himmels kaum noch zu erkennen waren.
    Währenddessen rissen die Wolken auf. Bald war der Horizont klar, nur erfüllt von den riesigen Gestalten, die die Erde von einem Pol zum anderen überspannten.
    Unvermutet ließ der Sturm nach.
    Die Welt bebte in ihrer Verankerung.
    Ein Prozess wurde in sein Gegenteil verkehrt.
    Und während die letzten Ausläufer des Sturms sich legten, schien das Licht der Sterne hell auf die beiden bewegungslosen Gestalten hoch oben auf den Hängen von Mount Kailas, die einander noch immer bei den Händen hielten.
    Verbunden durch ihr Blut, ihr Schicksal.
    Durch ihre Entscheidung.

 
KAPITEL VIERZEHN
Am Abgrund der Zeit
     
    »Es wird Zeit«, sagte Bragi fröhlich und wendete mit seinem Spatel ein Spiegelei. »Es wäre schade, wenn ihr das Frühstück verschlafen würdet.«
    Fischmehl erhob sich von den Fellen, auf denen er im Kloster geschlafen hatte. Wenige Schritte von ihm entfernt lag Hammurabi, der noch immer fest schlief. Duk saß am Tisch und machte sich gut gelaunt über einen Teller voll Spiegeleier her.
    »Ich dachte, Buddhisten essen keine Eier«, sagte Fischmehl.
    »Ich bin kein Buddhist«, erwiderte der Buddha. »Davon abgesehen, war es das einzig Essbare, das wir finden konnten, und das Leben als religiöse Ikone wird nicht leichter, wenn man tot ist.«
    »Das kannst du laut sagen«, sagte Bragi.
    »Also, was ist passiert?«, fragte Fischmehl. »Haben wir es geschafft?«
    »Aber sicher habt ihr das«, sagte der Skalde strahlend. »Du und dein Bruder – das war ein erstaunlicher Anblick.«
    »In der Tat«, stimmte Duk zu. »Viel dramatischer, als es mit vier Ankoriten gewesen wäre, aber schließlich kommt es auf die Ergebnisse an. Der Anker ist gesetzt.«
    »Ich habe also die Welt gerettet?«, sagte Fisch ironisch.
    »Nein«, sagte Duk, »aber du hast uns das gegeben, worauf die meisten Menschen ihr ganzes Leben lang hoffen: eine zweite Chance.«
    Fisch blickte seinen Bruder an. »Ich frage mich…«
    Duk sprang vom Stuhl und bedeutete Fisch, ihm zu folgen. »Komm mit nach draußen. Ich möchte etwas mit dir besprechen.«
    Der Morgenhimmel war erneut von Wolken bedeckt, doch die einstige Unerbittlichkeit des Winters hatte sich gewandelt – zum Besseren wie es schien.
    Fischmehl nahm auf den Steinen vor der Höhle Platz und Duk setzte sich neben ihn. »Weißt du, dein Bruder hat etwas sehr Tapferes getan. Er ist dort hinausgegangen, in dem Glauben, dass er sterben würde.«
    Fischmehl dachte darüber nach,
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