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Der Zauber ferner Tage

Der Zauber ferner Tage

Titel: Der Zauber ferner Tage
Autoren: Kate Lord Brown
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die Lehne eines Holzstuhls und lockerte sich die Krawatte. »Sieh dich doch noch ein bisschen um, während ich das Dach überprüfe.« Er krempelte die Ärmel seines weißen Hemds hoch und machte sich auf.
    Liberty nahm eine Flasche Wasser aus ihrer Tasche und schluckte ein paar Tabletten, sobald er außer Sichtweite war. Sie schloss die Augen und atmete aus. Ich schaffe das , sagte sie sich, ich schaffe das, für Emma. Mit ihrer Kamera ging sie von einem leeren Raum zum nächsten und malte sich aus, wie das Haus aussehen würde. Im Moment war es unbewohnt, ungeliebt, aber sie konnte sich vorstellen, dass Emma es mit neuem Leben erfüllen würde. Da rief John nach ihr.
    »Was ist?« antwortete sie.
    »Hier oben ist ein Geheimzimmer«, schallte es vom oberen Treppenabsatz. »Aus irgendeinem Grund wurde dieses mittlere Schlafzimmer zugemauert.«
    »Ernsthaft? Wie aufregend! Emma wird das lieben!«
    »Glaubst du, da könnte ein Skelett drin sein?«
    »Hör auf«, lachte Liberty. »Mach lieber weiter deine Arbeit.« Die Begeisterung in seiner Stimme rief Erinnerungen wach: Daran, wie er als junger Student in abgeschnittenen Jeans und einem ausgeblichenen gelben T-Shirt in den Ruinen eines Bauernhauses aus Lehmziegeln in der Nähe von Ojai herumgekraxelt war. Wir könnten das kaufen, Libby, hatte er ihr zugerufen. Ich könnte es in ein paar Monaten renovieren, und wir könnten Wein anpflanzen, Hühner halten … Sie hatte gewusst, dass er für mehr als das geschaffen war, schon damals. Liberty lauschte seinen Schritten durch die oberen Räume.
    »Das Haus ist in einem guten Zustand«, befand er, als er ein paar Minuten später wieder in der Küchentür stand. »Nichts Größeres. Neue Stromleitungen, die sanitären Anlagen, ein paar Reparaturen am Dach …«
    »Ist das alles?«, fragte sie lachend.
    »Für ein altes Mädchen ist sie noch gut in Schuss.«
    Ich wünschte, ich könnte dasselbe behaupten , dachte Liberty.
    »In so einem Haus könnte man sich vorstellen, sich ein Leben einzurichten.« Er berührte die Wand mit seiner Handfläche. »Es hat Seele und Herz.« Er wandte sich ihr zu, sein Gesicht glühte vor Begeisterung. »Du, ich habe eine verrückte Idee. Wie wäre es, wenn wir …?« Er hielt inne, sein Lächeln versiegte.
    »Was?«
    »Nein. Vergiss, dass ich etwas gesagt habe.«
    Liberty spürte seine Unsicherheit, seine Hoffnung. Sie machte sich an ihrer Kamera zu schaffen, hielt sie sich wie ein Schild vor das Gesicht und richtete das Objektiv auf ihn. »Bitte lächeln.«
    »Wann willst du es Emma sagen?«
    »Gar nicht«, gestand Liberty, »und du verrätst es ihr bitte auch nicht. Es soll eine Überraschung sein…« Sie konnte sich nicht durchringen, es auszusprechen. »Ich habe immer gesagt, man kann seinen Kindern nur Wurzeln und Flügel geben.«
    »Und du meinst, das gelingt dir damit? Dadurch findet Emma zu ihren Wurzeln?«
    »Sie braucht etwas Gutes, auf das sie sich konzentrieren kann.« Sie senkte die Kamera und lächelte ihn an.
    John zog die Küchentür zu und verriegelte sie wieder. »Was glaubst du, was Freya zu all dem sagen wird?«
    »Ich bespreche das mit Mum, wenn ich wieder in London bin.«
    »Schatz, sie hat ihre Geheimnisse über sechzig Jahre lang für sich behalten. Glaubst du ernsthaft, sie wird dir jetzt erzählen, was damals in Spanien passiert ist? Während des Krieges?«
    »Sie wird es erzählen, wenn sie erst weiß, wie …« Liberty holte tief Luft. »Wie viel es mir bedeutet.«
    John schloss die Tür ab und legte den Schlüssel wieder an seinen Platz. Liberty sah sich ein letztes Mal im Garten um. Sie ging in die Hocke, berührte die warme Erde und streute eine Handvoll in ihr Taschentuch.
    »Weißt du, als ich Fidel erzählt habe, dass ich hier geboren wurde, hat er gesagt: ›Dann ist das Ihr Land. Hier in Valencia sagen wir: Ich stamme von diesem Land ab, und dieses Land ist wunderbar …«
    »Genau wie du.« John half ihr auf und strich ihr den kurzen Pony aus dem Gesicht. »Du bist wunderbar.«
    Arm in Arm schlenderten sie über den Markt. John hatte sich das Sakko lose über die Schulter gehängt.
    »Was ist das?«, fragte Liberty und zeigte auf einen Stand, wo ein paar Frauen Kräuter verkauften. Die Sonne funkelte auf einigen Glasflaschen, die mit einer klaren grünen Flüssigkeit gefüllt waren. Sie löste sich von John, ging hinüber zu den Frauen und sprach sie in gebrochenem Spanisch an. »Was ist das?«
    »Etwas sehr Feines«, entgegnete eine der jüngeren
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