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Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re
Autoren: Anke Dietrich
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schnell kam ihm die zündende Idee, wie er wieder auf sich aufmerksam machen konnte. Bisher hatte das immer geklappt. Er riss den Mund weit auf und begann jämmerlich zu brüllen, bis sein kleines, rundes Pausbackengesicht puterrot angelaufen war.
    Vergeblich versuchte Amunhotep, ihn zu beruhigen. Erst als Meritusir ihn auf den Arm nahm und liebkoste, beruhigte sich Usirhotep, und bald schon strahlte er wieder übers ganze Gesicht.
    Sie winkte seine Amme heran und übergab ihr den Jungen, um mit ihrem Mann den Rest des Tages ungestört verbringen zu können.
    Die beiden Eheleute suchten sich eine schattige Stelle in dem weitläufigen Garten des Anwesens, und Hekaib brachte ihnen ein schmackhaftes Mahl und gekühlten Wein.
    »Ich weiß gar nicht, was ich zu meinem Sohn sagen soll«, stellte Amunhotep fest, als sie zusammen im Gras lagen. »Er ist schon so groß. Ich hätte so gerne erlebt, wie er in den ersten Monaten seines Lebens heranwächst, wie er sprechen und laufen lernt.« Betrübt senkte er den Blick.
    »Wir können noch mehr Kinder haben. Ich bin zwar fast dreißig, aber es ist noch lange nicht zu spät«, versuchte Meritusir ihn aufzumuntern.
    »Dann lass uns sofort damit beginnen.«
    »Willst du nicht erst essen und dich stärken?«, fragte sie schmunzelnd.
    Er schüttelte den Kopf. »Das habe ich nach achtzehn Monaten Enthaltsamkeit nicht nötig«, lachte er.
    »Aber vielleicht ich.«
    »Ach ja? Wer sollte während meiner Abwesenheit meine ehelichen Pflichten übernommen haben, dass du dich so geschwächt fühlst, liebe Schwester?«
    Nachdenklich legte Meritusir die Stirn in Falten. »Da gab es genug Verehrer, die sich um mich bemüht haben«, erwiderte sie, hob den Blick zum strahlend blauen Himmel und tat, als ob sie angestrengt nachgrübeln würde. »Da war Netnebu, der sich deinem Sohn und mir sehr verbunden fühlt, Hekaib, der sich stets rührend um mich gekümmert hat, Maiherperi, der mir auf Schritt und Tritt gefolgt ist. Dann noch Theokrites und Aristides, ganz zu schweigen von den anderen Getreuen und auch den Handwerkern und deinen Priestern, die jeden Tag aufs Neue erfreut waren, ein so liebliches Wesen wie mich zu Gesicht zu bekommen. Und natürlich mein kleiner Moses, der inzwischen bereits drei Klassen übersprungen hat und mit den fünfzehnjährigen Schülern die Schulbank drückt. Er liegt mir ständig in den Ohren, dass er Steinmetz werden will. Ich glaube, wenn du ihn nicht bald bei den Handwerkern des Tempels in die Lehre gibst, raubt er mir noch den letzten Nerv.«
    Amunhotep musste lachen. »Und ich dachte, du sitzt hier mutterseelenallein in Abydos herum und grämst dich zu Tode. Stattdessen scheinst du einen ganzen Harim voller Männer dein Eigen zu nennen«, neckte er sie.
    Nun lachten beide und machten sich über das köstliche Mahl her, das ihnen der Haushofmeister serviert hatte. Nach dem Essen legte sich Amunhotep mit unter dem Kopf verschränkten Armen auf den Rücken, und Meritusir schmiegte sich an ihn. Müde, aber zufrieden, schlossen beide die Augen und waren kurz darauf eingeschlafen.
    Als sie wieder erwachten, stand Re bereits tief am Horizont. Hand in Hand schlenderten sie durch den Garten.
    Am Abend berichtete Amunhotep von der Expedition. Meritusir war bestürzt, als sie von dem Verbrechen des Re-Priesters erfuhr, und erzählte ihrerseits, was sich in der vergangenen Zeit in Abydos ereignet hatte.
    Die Arbeiten waren zu ihrer vollen Zufriedenheit vorangeschritten, und Ramses’ Tempel der Millionen Jahre war fertiggestellt. Einzig das Dach in der Osiris-Halle war nicht geschlossen, doch das würde erst im Zuge von Pharaos Beisetzung geschehen. Auch das Haus der Ewigkeit war mit all seinen Korridoren und der Brunnenkammer fertig, nur in der Sarkophagkammer waren die Steinmetze und Maler noch dabei, die Wände zu dekorieren.
    »Ich schätze, dass spätestens in einem Jahr auch dieses Bauvorhaben abgeschlossen sein wird«, endete Meritusir und begann bei diesen Worten unruhig auf ihrem Stuhl hin und her zu rutschen.
    Fragend sah Amunhotep sie an. »Was beunruhigt dich? Alles scheint doch in bester Ordnung zu sein?«
    »Schon«, druckste sie herum. »Ich frage mich nur manchmal, ob dann nicht meine Aufgabe hier erfüllt ist und ich wieder zurück in meine Welt muss.« Bei dieser Vorstellung traten ihr unweigerlich die Tränen in die Augen.
    Amunhotep sprang von seinem Stuhl hoch, um sie in die Arme zu nehmen und zu trösten. »Nein, das können die Götter nicht wollen«,
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