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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod
Autoren: Ole Kristiansen
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Caro nicht auf Westentaschenformat verkleinern und morgen als Glücksbringer mitnehmen konnte.
    Die vierte Karte durfte überraschenderweise an dem Platz bleiben, an den Jule sie legte – unmittelbar über die Priesterin. Ein Mann, der kopfüber an einer Schlinge vom Ast eines knorrigen Baums hing.
    »Das ist die Hilfe, die du bei der Lösung deines Problems erfährst. Der Gehängte lächelt so entrückt, weil er verborgenes Wissen hütet – Wissen, das er an dich weitergeben wird.« Caro zog einen losen Faden aus dem Saum des Tischläufers. »Eine musst du noch«, drängte sie.
    Bei der letzten Karte fiel das Rascheln sehr lang aus, und nach einem Grummeln von Caro tanzte der Schemen der Kerzenflamme besonders schnell hin und her, ganz so, als hätte Jules Wahrsagerinnenersatz zwischendurch mit den Armen gewedelt. Dafür sprach auch die süßliche Patschuliwolke, die Jule ins Gesicht wehte. »Stimmt was nicht?«
    »Guck mal!« Caro klatschte vor Begeisterung tatsächlich in die Hände. »Ich hab’s gewusst!«
    Auf der Karte, die für Jules Zukunft stand, breitete ein Engel die Schwingen über einem nackten Pärchen aus, das einander verträumt in die Augen blickte.
    »Das sind die Liebenden!«, sagte Caro glücklich.
    »Heißt das das, was ich denke?«, fragte Jule.
    »Was denn sonst?« Caro griff unter den Tisch, holte ein dünnes Taschenbuch darunter hervor und warf es zu Jule auf die Couch. »Oder musst du das wirklich nachlesen? Nur zu.« Sie stand auf, sagte noch eilig: »Ich muss mal!«, und verschwand aus dem Zimmer.
    Jule beugte sich nach vorn und betrachtete das ausgelegte Kreuz, das ein wenig in Unordnung geraten war, weil der Tischläufer eine Falte geworfen hatte. Sie zog den Stoff glatt und stutzte. Unter dem Saum schaute die Ecke einer Karte hervor, die mit dem Motiv nach unten dalag.
    »Diese alte Betrügerin«, murmelte sie und drehte die Karte um. Sie bereute es noch in derselben Sekunde.

9
     
    Caro lag auf dem Bauch, den Kopf zur Seite gedreht, eine Hand auf Lothars dicht behaarter Brust. Das wohlige Gefühl völliger Entspannung, das sich ansonsten bei ihr einstellte, wenn sie mit ihm im Bett landete, war heute unerwartet ausgeblieben. Sie genoss den Sex mit ihm eigentlich sehr, weil er keinerlei Ansprüche an sie stellte. Keine unnötigen Verrenkungen, keine hektischen Stellungswechsel, keine unangekündigten Versuche, etwas Neues auszuprobieren, das er in irgendeinem Porno gesehen hatte. Sie konnte üblicherweise einfach nur daliegen und sich rücksichtsvoll und behutsam verwöhnen lassen. Diesmal hatte sie jedoch das wenig schmeichelhafte Gefühl gehabt, er wäre nicht ganz bei der Sache gewesen. »Was denkst du gerade?«, fragte sie.
    Sein Kopf war tief ins Kissen gesunken, weil er seit ein paar Minuten schweigend zur Decke hinaufsah. »Ich denke an Jule.«
    »Na, vielen Dank!« Sie zog beleidigt an einem seiner Brusthaare, aber selbst diese unsanfte Behandlung brachte ihn nicht dazu, sich zu rühren.
    »Es ist wegen morgen«, sagte er leise.
    »Aber du hast doch zu ihr gemeint, sie würde das problemlos schaffen.«
    Lothar nickte stumm.
    Caro stützte sich auf die Ellbogen und rutschte noch ein Stück dichter an ihn heran, bis ihre nackte Brust gegen seinen Arm stieß. »Sag mal, hast du dir um mich auch so viele Gedanken gemacht, als ich bei dir in Therapie war?«
    Er griff nach dem Glas Scotch auf dem Nachttisch. »Fragst du das aus echtem Interesse oder aus Eifersüchtelei?«
    Caro nervte es, wenn er eine Frage an ihn in eine Frage an sie verwandelte, aber sie war inzwischen lange genug mit ihm zusammen, um sein Signal zu deuten. Er wollte gerade nicht über sich reden, was häufiger vorkam. »Okay, sprechen wir über Jule, wenn dir das lieber ist. Soll ich dir was Blödes verraten?«
    »Wenn du möchtest …«
    »Ich habe ihr vorhin die Karten gelegt.« Sie schmiegte sich noch enger an ihn, weil sie trotz der Decke, in die sie sich von den Hüften abwärts eingewickelt hatte, plötzlich zu frieren begann. »Ich habe geschummelt. Eine Karte hat mir nicht gefallen.«
    »Welche denn?«, fragte Lothar, der sich stets weitaus weniger zierte als Jule, wenn Caro das Tarot für ihn befragen wollte.
    Caro seufzte. »Es war der Tod.«
    Sie versuchte, möglichst unbedarft zu klingen, und schrak umso mehr vor dem Zittern zurück, das mit einem Mal durch seinen gesamten Körper lief. Er schlug seine Decke zurück und setzte sich auf.
    »Lothar?«, fragte sie besorgt.
    Er schien sie nicht zu
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