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Der widerspenstige Planet

Der widerspenstige Planet

Titel: Der widerspenstige Planet
Autoren: Robert Sheckley
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entlang, Sir.«
    Hieronymus wurde durch verwinkelte graue Korridore geführt, in einen Aufzug, dann durch weitere Korridore, bis sie vor einer roten Stahltür standen. Der Hauptmann öffnete sie für ihn, ließ ihn hineingehen und schloss sie wieder hinter ihm.
    Hieronymus befand sich in einem kleinen weißen Audienzraum. Hinter einem unscheinbaren Schreibtisch saß ein Mann, der sich bei Hieronymus’ Eintreten erhob.
    »Schön, dich wiederzusehen«, sagte Egon-Mingus.
    »Ich finde es auch schön, dich wiederzusehen«, sagte Hieronymus. »Wie macht sich das Imperium?«
    »Also … es ist nicht sehr erfolgreich, wie du dir wahrscheinlich schon gedacht hast. Um genau zu sein, es ist eine Katastrophe.« Mingus lächelte schmerzlich. Er war jetzt alt, ein hochgewachsener Mann mit grauen Bart, verbittertem Gesicht und tiefliegenden Augen.
    »Was ist falsch gelaufen?«
    »Weißt du das wirklich nicht?«
    Hieronymus schüttelte den Kopf. »Ich hatte nur eine Vorahnung, keine Vision. Sind die Gleister noch immer dabei, dich zu stürzen?«
    »Oh, ja, natürlich«, sagte Mingus. »Ich mache mir nicht einmal mehr die Mühe, sie daran zu hindern. Unsere Familie besitzt eine tief verankerte Unfähigkeit im Umgang mit politischen Angelegenheiten. Die Gleister haben keinen
Sinn für Intrigen oder Propaganda. Sie kommen einfach in mein Imperium in ihrer Kleidung aus dem zwanzigsten Jahrhundert, fuchteln mit fremdartigen Waffen herum und verkünden politische Theorien, die das Volk nicht versteht. Die Leute halten sie für die Beauftragten irgendeines verrückten ausländischen Potentaten oder einfach nur für arme Irre. Bei der ersten günstigen Gelegenheit werden sie festgenommen und bei der Polizei abgeliefert.«
    »Und was machst du dann mit ihnen?«
    »Ich erziehe sie.«
    »Ach.«
    Mingus verzog das Gesicht. »Ich hoffe, du glaubst nicht, dass das Wort eine freundliche Umschreibung von Gewalt bedeutet. Ich versichere dir, dass ich sie ganz konventionell unterrichte, keine Gehirnwäsche. Sie hören Vorlesungen, sehen Filme, lesen Bücher und machen Studienreisen. Dann suche ich einen Platz im Imperium für sie, an dem sie sich niederlassen können.«
    »Entscheiden sich alle dafür, hierzubleiben?«
    »Die meisten jedenfalls. Man muss schließlich irgendwo leben und ihre ursprünglichen Plätze im Raum-Zeit-Gefüge haben ja inzwischen andere Gleister eingenommen.«
    »Das klingt doch ganz gut. Was ist denn daran problematisch?«
    »Hieronymus, du scheinst selbst noch einige Vorlesungen nötig zu haben. Wie wäre es, wenn du eine Studienreise machst?«
    »Lass nur. Erzähl mir einfach, was los ist.«
    »Also gut. Es ist eigentlich auch ganz einfach. Der erste oder Ur-Gleister baute eine Zeitmaschine und ging damit in die Zukunft. Die Natur ist bereit, ein Paradoxon zu tolerieren, doch sie verträgt kein Vakuum. Bei der Zeitreise aber blieb ein Loch im Raum-Zeit-Gefüge zurück. Ein Gleister
fehlte also an seinem ursprünglichen Ort. Die Natur lieferte deshalb sofort einen identischen oder annähernd identischen Gleister aus ihren offenbaren unbegrenzten Gleister-Vorräten, wo immer sie diese auch auf Lager halten mag.«
    »Das weiß ich bereits alles«, meinte Hieronymus.
    »Aber du hast die Konsequenzen noch nicht zu Ende gedacht. Jedes Mal, wenn ein Gleister seine Zeitmaschine benutzt, gibt es eine Lücke, ein Loch im Raum-Zeit-Gefüge, das die Natur sofort wieder schließt, indem sie einen neuen Gleister anstelle des alten produziert.«
    »Ich beginne zu verstehen«, stöhnte Hieronymus.
    »Wir haben also jetzt zahlreiche Gleister«, fuhr Mingus fort, »die alle mit den verschiedensten Missionen durch die Zeiten reisen. Wir haben eine Gleister-Linie, die Imperatoren produziert, und wir haben eine, die eine Organisation aufbaut, um diese Imperatoren zu stürzen. Und es gibt noch andere Linien. Jede Hauptzeitlinie führt in ihrer weitläufigen Verästelung zu einer Verdoppelung der reisenden Gleister. Jeder neue Gleister reist auch wieder in der Zeit und wird damit zum Werkzeug permanenter Erschaffung weiterer Gleister.« Mingus legte eine kleine Pause ein, damit Hieronymus das Gesagte verarbeiten konnte. Dann fasste er zusammen: »Die Gleister vermehren sich in einer geometrischen Reihe. Sie potenzieren sich selbst.«
    »Das sind verflucht viele von uns«, sagte Hieronymus.
    »Du hast noch immer nicht die wirkliche Größenordnung begriffen«, erwiderte Mingus. »Eine geometrische Vervielfachung, das heißt, aus Hunderten
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