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Der Weihnachtspullover

Der Weihnachtspullover

Titel: Der Weihnachtspullover
Autoren: Glenn Beck
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Seite des Kopfes. Dann schloss er die Augen, schüttelte es leicht, hielt inne und verkündete dann sein Urteil. »Das ist eine Winterjacke. Eine braune Winterjacke.«
    »Tatsächlich?« Ich konnte es nicht fassen. »Woher weißt du das?«
    »Ich kann es hören. Und jetzt gib mir das andere.«
    Ich griff nach einem rechteckigen Päckchen, legte es in seine riesigen Hände und sah zu, wie er den gleichen Vorgang wiederholte: lauschen, schütteln, Pause, Urteil. »Das ist ein Lockenstab. Einer dieser teuren, die sich automatisch abschalten.«
    Ich war völlig perplex. Nicht wegen des Lockenstabs, sondern weil sich Großvater so vollkommen sicher zu sein schien. Da war nicht der geringste Zweifel in seiner Stimme.
    Er bat mich um die anderen beiden Geschenke und wiederholte den nun bekannten Ablauf. Ich hielt die Päckchen mit dem Lockenstab und der Jacke abwechselnd an mein Ohr, während er beschäftigt war, und versuchte etwas zu hören, irgendetwas , doch sie blieben beide stumm.
    Großvater saß auf dem Boden neben einem quadratischen Päckchen, von dem er entschieden hatte, dass eseine neue Teekanne für meine Mutter enthielt. »Komm her, Eddie, und setz dich eine Sekunde neben mich. Ich möchte dir etwas beibringen. Weihnachten erfordert nämlich eine gewisse Kunstfertigkeit.« Er lächelte, und seine Augen funkelten. »Der eine oder andere mag wohl der Ansicht sein, dass das, was ich dir nun gleich zeigen werde, den dunklen Künsten zuzurechnen ist, aber für mich sind sie eher grün und rot.«
    Ich schlüpfte neben ihn.
    »Ich glaube, es ist an der Zeit, dass du endlich die Wahrheit über den Zauber der Weihnacht erfährst.«
    »Ach, Grandpa, das weiß ich doch schon alles. Ich bin doch kein kleines Kind mehr.«
    »Davon rede ich ja gar nicht. Der Zauber ist schon echt, aber manchmal muss man ihm ein wenig auf die Sprünge helfen. Und ich bin einer dieser Helfer. Es ist wie mit dem Brot deines Vaters. Die Hefe und das Mehl mögen vielleicht von allein aufgehen, aber es geschieht erst etwas, wenn dein Vater es in den Ofen schiebt. Und auf Weihnachten übertragen bedeutet dies, dass ich wie ein Weihnachtsgeschenke-Ofen bin.« Mein Großvater war in Höchstform.
    Er wartete gar nicht erst ab, ob ich seine geheimnisvolle Analogie überhaupt verstanden hatte, sondern griff nach dem quadratischen Päckchen, streifte das Schleifenband vorsichtig ab, drehte das Päckchen um und hauchteauf die Stelle, wo das Papier mit einem Stück Klebeband zusammengehalten wurde. Die Oberseite des Klebestreifens beschlug von der Feuchtigkeit seines Atems. Dann zupfte er behutsam mit seinem Fingernagel an einer Ecke des Streifens, bis er überzeugt war, dass er ihn abziehen konnte, ohne dabei das Papier zerreißen.
    Meine Augen mussten so groß gewesen sein wie Untertassen, während ich zusah, wie mein Großvater eine Pappschachtel aus dem Papier hob und vor mich auf den Teppich stellte. »Öffne sie«, sagte er. »Aber sei vorsichtig.«
    Ich zog den Deckel in die Höhe, entfernte rotes Seidenpapier und erblickte das Geschenk: eine chinesische Teekanne aus Keramik mit vier kleinen Tassen. Genau das, was meine Mutter sich gewünscht hatte, und genau das, was mein Großvater vorhergesagt hatte, obwohl es nun offensichtlich war, dass es sich weniger um eine Vorhersage als vielmehr um eine Tatsache gehandelt hatte.
    Wir machten uns daran, andere Geschenke auszupacken. Einige waren mit mehreren Klebestreifen verschlossen, was Geduld erforderte und meinen Großvater veranlasste, mir in Erinnerung zu rufen, dass dies eine Tugend sei. Andere waren so eng eingepackt, dass es wirklich eine Kunst war, die Schachtel herauszubekommen. Aber wir packten ein Geschenk nach dem anderen aus und anschließend wieder ein. (Später erfuhr ich, dass mein Großvater bis zum Morgen des ersten Weihnachtstagesall seine Geschenke mindestens dreimal geöffnet hatte.) Als wir alles wieder verpackt hatten, legte er jedes Geschenk gewissenhaft an seinen ursprünglichen Platz zurück, und wir gingen nach unten.
    Ich hatte ja keine Ahnung, dass wir noch lange nicht fertig waren.
    Unter dem Christbaum wartete ein ganzer Schatz auf uns, denn hier gab es noch jede Menge eingepackter Geschenke zu erkunden. Wir öffneten sie alle. Es spielte keine Rolle, für wen sie bestimmt waren oder von wem sie stammten. Wir öffneten sie, unterhielten uns darüber und spielten sogar manchmal mit ihnen. Dann klebten wir sie wieder zu und platzierten sie mit großer Sorgfalt unter dem
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