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Der Weihnachtspullover

Der Weihnachtspullover

Titel: Der Weihnachtspullover
Autoren: Glenn Beck
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hören, die keinen Interpretationsspielraum zuließ: ein rotes Fahrrad mit schwarzem Bananensattel von Huffy.
     
     
    Der laute Motor des Ford riss mich aus meinen Gedanken. Wir befanden uns auf der Main Street, und die eben noch entfernten Lichter leuchteten nun hell durch unsere beschlagenen Scheiben. Ich versuchte, durch die Heckscheibe zu erkennen, wo wir waren, aber ich konnte nichts weiter sehen als das Spiegelbild meines dunkelblonden Schopfes.
    Mom fuhr vorsichtig, obwohl das Stadtzentrum beinahe ausgestorben dalag. Die Ampel an der Kreuzung vor uns wechselte auf Rot, und sie brachte den Wagen behutsam zum Stehen.
    »Sieh doch nur, Eddie!« Sie zeigte aus dem Beifahrerfenster.
    Ich rieb mit der Hand einige Male über das Glas, umdas Kondenswasser wegzuwischen. Wir hatten direkt vor dem großen Schaufenster von Richmond’s Sporting Goods angehalten, der Stelle, wo ich zum ersten Mal einen Blick auf das Huffy geworfen hatte, von dem ich nun schon das ganze Jahr träumte.
    Meine Augen wanderten geübt über Baseballschläger, Handschuhe und Schlitten im Schaufenster hinweg zu der Stelle, wo das Huffy stand. Mein Huffy. Das mich mit seinem knallroten Rahmen, dem glänzenden Chromlenker und dem schwarzen Bananensattel durch Schnee und Nebel anfunkelte.
    »Wahnsinn.« Das war das einzige Wort, das mir dazu einfiel.
    Mom schaute nicht mehr länger zu dem Fahrrad hinüber, sie beobachtete mich im Rückspiegel. Ich konnte ihren Mund zwar nicht sehen, aber ich wusste, dass sie lächelte. Ich lächelte zurück. Perry Como lieferte die Filmmusik dazu.
    »Möchtest du den Wagen auftanken?«, fragte sie ein paar Minuten später, als sie an der Selbstbedienungs insel anhielt. Wir tankten sehr oft, weil unser Pinto immer durstig war und Mom für gewöhnlich nur genug Geld hatte, um den Tank zur Hälfte zu füllen.
    »Klar«, sagte ich, kletterte über den Sitz und folgte ihr zur Tür hinaus. »Darf ich ein paar Red Vines haben, wenn ich zum Bezahlen reingehe?«
    »Tut mir leid, Eddie«, erwiderte meine Mutter sanft. »Ich habe zwar das Geld für Red Vines, aber nicht genug für den Zahnarzt.« Sie lächelte. »Und jetzt flitz los.« Ich wusste, dass sie kein Geld für den Zahnarzt hatte, aber sie konnte mich mit ihrer Entschuldigung nicht täuschen. Ich wusste, dass sie auch kein Geld für Red Vines hatte.
    Ich gab mir Mühe, ein überaus enttäuschtes Gesicht aufzusetzen, aber tief in meinem Inneren hegte ich die Hoffnung, dass »kein Geld für Red Vines« bedeutete, dass sie es für etwas anderes sparte.
    Für mein Fahrrad.

 
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

 

 
     
     
     
     

 

Kapitel 2
     
s war Heiligabend, und Mom musste wie immer arbeiten. Sie war Köchin an der örtlichen Highschool, suchte sich aber um die Feiertage herum immer noch ein oder zwei zusätzliche Jobs im Einkaufszentrum.
    Ich hatte schulfrei, was Mom mit einer gewissen Unruhe erfüllte. Sie ließ mich ungern allein. Nicht etwa, weil ich nicht selbst für mich sorgen konnte, sondern weil sie wusste, dass ich allzu sehr nach meinem spitzbübischen Großvater kam, der zufällig der Erfinder jener vorweihnachtlichen Tradition war, der ich mich zu widmen gedachte: der »Operation Geschenkepeilung«.
    An einem Heiligabend vor einigen Jahren war ich allein mit meinem Großvater. Mein Vater war immer noch in der Bäckerei, um letzte Hand an die Croissants und Kuchen zu legen, die schon bald »Ohs« und »Ahs« an Esstischen in der ganzen Stadt hervorlocken würden. Meine Mutter und meine Großmutter waren in die Kirche gegangen. Normalerweise hätten sie meinen Großvater und mich mitgeschleppt, aber in jenem Jahr fiel der erste Weihnachtsfeiertag auf einen Montag, und er hatte sieirgendwie überzeugen können, dass der morgige Weihnachtsgottesdienst für beide Tage gelten würde. Ich konnte noch eine Menge von ihm lernen.
    »Hast du Lust, Karten zu spielen, Eddie?«, fragte Großvater, sobald sich die Haustür hinter ihnen geschlossen hatte.
    Auweia, jetzt geht das schon wieder los , dachte ich.
    Großvater liebte Kartenspiele. Nein, ich nehme das zurück, er liebte es, beim Kartenspielen zu gewinnen. Und er gewann immer. Er gewann in der Tat so oft, dass es zu einer Art ungeschriebenem Familiengesetz geworden war, sich niemals, unter gar keinen Umständen, auf ein Kartenspiel mit ihm einzulassen. Es war so, als würde man ein wildes Tier füttern: Anfangs mochte es wie eine gute Idee erscheinen, aber später bedauerte man es
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