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Der Weihnachtspullover

Der Weihnachtspullover

Titel: Der Weihnachtspullover
Autoren: Glenn Beck
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garantiert.
    Früher glaubte ich, dass Großvater beim Kartenspielen gewann, weil er so gut darin war, aber in jenem Jahr war ich alt genug, um es besser zu wissen. Er gewann, weil er schummelte. Vielleicht ist »schummeln« nicht das richtige Wort. Großvater hatte ein System. Und so wie das Kartenzählen beim Blackjack waren seine Methoden nicht unbedingt gesetzeswidrig, aber er ging auch nicht mit ihnen hausieren.
    Wann immer wir spielten, konzentrierte er sich mehr darauf, die Löcher in seinem System herauszufinden, als mich tatsächlich zu besiegen – was für ihn allerdings ohnehinkein Problem darstellte. Wenn ich eine Karte ausspielte, hob er sie wieder auf, steckte sie in meine Hand zurück und sagte: »Nein, die solltest du nicht spielen, mein Junge.« Anfangs dachte ich, er wolle mir nur helfen, aber später wurde mir klar, dass es ihm gar nicht darum ging, seinen Gegner zur Strecke zu bringen, sondern dass er auf den besonderen Reiz der Jagd aus war. Für Großvater war das Kartenspielen mit mir so etwas wie Großwildschießen im Zoo – es war kein echter Wettkampf. Ich hatte nie das Gefühl, Karten mit ihm zu spielen, sondern kam mir immer eher wie eine Versuchsperson vor.
    Ich nahm an, dass er die Übungsrunden mit mir dazu benutzte, sein System zu verfeinern, damit er das wöchentliche Kartenspiel mit seinen Freunden gewinnen konnte, aber ich habe ihn nie danach gefragt, und er hat es mir nie gesagt.
    »Möchtest du auch ganz bestimmt nicht spielen?«, hakte er nach.
    »Tut mir leid, Grandpa. Vielleicht später.«
    »Wie du willst. Aber ich glaube, ich habe heute einen schwachen Tag. Du hättest eine echte Chance gegen mich.« Großvater war ein wirklich guter Lügner. »Aber wenn du keine Lust hast ... « Seine Stimme senkte sich, und da war dieses Ich-bin-ein-größerer-Schlingel-als-du-Funkeln in seinen Augen. »Vielleicht fällt mir ja noch etwas anderes ein, was wir machen könnten.«
    »Was denn?«, fragte ich wie aus der Pistole geschossen, was in Wahrheit bedeutete: Ich bin dabei! Großvater hatte ein echtes Talent dafür, uns immer wieder in kleinere und größere Schwierigkeiten zu bringen, und ich genoss jede Sekunde davon. Seine »Ideen« waren fast immer ein Code-Wort für einen ausgeklügelten Plan, an dem er wochenlang herumgetüftelt hatte. Wie schon sein geheimes Kartenzählsystem bewies, war Großvater ein großer Liebhaber des Aufspürens von Grauzonen zwischen den Buchstaben des Gesetzes und seinem eigentlichen Sinn und Zweck.
    »Folge mir«, sagte er, und jeglicher spielerische Ton war schlagartig aus seiner Stimme verschwunden. Großvater nahm seine Vorhaben sehr ernst. Wann immer wir zwei uns auf eine Mission begaben – egal wie hanebüchen sie auch sein mochte –, bemühten wir uns nach Kräften, ungestraft davonzukommen. Bei den seltenen Gelegenheiten, wenn wir doch erwischt wurden, bediente er sich auf geschickte Weise einer hochkomplexen, lange erprobten Strategie: leugnen, was das Zeug hält. Überraschenderweise funktionierte es meistens, weil Erwachsene einfach nicht glauben wollten, dass ein Mensch in seinem Alter zu einem solchen Unfug fähig sei.
    Ein wunderbares Beispiel war die Geschichte mit dem jugendlichen Unruhestifter, der den vorletzten Sommer bei seiner Tante verbrachte, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite wohnte. Dieser kleine Fiesling blieb langeauf, grölte herum, demolierte Briefkästen und machte allen in der für gewöhnlich ruhigen Nachbarschaft das Leben schwer.
    Nach Einbruch der Dunkelheit ging er seiner Lieblingsbeschäftigung nach, die darin bestand, eine kleine Steinmauer quer über die Hauptstraße zu errichten, die sich durch die Wohngegend schlängelte. Er platzierte die Mauer direkt auf der Kuppe eines kleinen Hügels, sodass sie für die Fahrer der Wagen aus beiden Richtungen nicht zu erkennen war. Die Mauer war zwar eher ein Mäuerchen, an den meisten Stellen nur ein paar Zentimeter hoch, aber es reichte aus, damit dem Fahrer, der das Pech hatte, sie zu übersehen, beim Aufprall ein Reifen am Wagen platzte, der Auspufftopf abriss oder gar Schlimmeres passierte.
    Die ersten Male, als es geschah, riefen die Nachbarn die Polizei. Doch das half nichts, da niemand den Jungen in flagranti mit den Steinen erwischte. Nach einer Weile resignierten die meisten Leute und zählten die Tage, bis der unwillkommene Besucher wieder abreisen würde. Aber nicht so mein Großvater.
    Nur wenige Tage nach dem ersten Vorfall mit besagtem Mäuerchen
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