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Der Weihnachtspullover

Der Weihnachtspullover

Titel: Der Weihnachtspullover
Autoren: Glenn Beck
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gesehen hatte. Sie war ziemlich groß und glänzend. Ich merkte mir ihre genaue Stelle, ehe ich sie ins Licht zog.
    Die Schachtel war breiter als ein Schuhkarton und viel tiefer. Auf einem Aufkleber auf der Oberseite stand in der Handschrift meiner Mutter »Weihnachtsquittungen« zu lesen. Das konnte doch unmöglich sein! Ich hätte nie geglaubt, dass es so leicht werden würde. Meine Hände zitterten vor gespannter Erwartung.
    Ich hob vorsichtig den Deckel in die Höhe und starrte hinein. Es lag nur eine einzige Quittung darin. Kein Grund, enttäuscht zu sein, dachte ich bei mir. Ein Fahrrad, eine Quittung . Ich faltete den Beleg rasch auseinander, in der Hoffnung, »Richmond’s« oben auf dem Blatt aufgedruckt zu sehen, aber dort stand kein Geschäftsname. Es gab auch keine Artikelbeschreibung und weder einenPreis noch ein Datum. Es handelte sich um eine von Hand geschriebene Mitteilung:
     
    Hallo, Naseweis! Du kannst deine Suche beenden. Du hattest Dein Geschenk die ganze Zeit vor Augen, aber Du wirst es niemals finden.
     
    Das durfte doch nicht wahr sein! Mom hatte sich nicht nur psychologischer Kriegsführung bedient, sondern mich auch noch damit bezwungen. Großvater wäre schrecklich enttäuscht von mir. Ich sah mit einem Mal vor mir, wie er mir die sachgerechte Klebebandentfernung beibrachte. Er hätte sich niemals so leicht besiegen lassen. Ich spürte, wie mich mit einem Mal eine neue Tatkraft erfüllte. Ich mochte diese eine Schlacht verloren haben, aber ich hatte nicht vor, den Krieg zu verlieren.
    Ich knickte Moms Mitteilung entlang der ursprünglichen Falte, legte das Blatt wieder zurück in die Schachtel und schob sie dann an ihre alte Stelle unter das Bett zurück. Wenn meine Mutter nicht wusste, dass ich ihre Nachricht gefunden hatte, dann hatte ich strenggenommen auch nicht verloren. Mit ein wenig Glück ließen sich meine Würde und Großvaters Ehre noch retten.

 
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

 

 
     
     
     
     

 

Kapitel 3
     
s ist schon komisch, wie schnell sich das Leben verändert. Noch vor ein paar Jahren hatte ich keinen Gedanken an Geld verschwendet. Und nun dachte ich ständig daran. Vor ein paar Jahren hatte ich einen Vater gehabt. Nun war er fort. Vor ein paar Jahren ging ich am Heiligabend gern mit meiner Mutter zum Weihnachtssingen. Nun konnte ich mir nichts Schlimmeres vorstellen.
    Mit zwölf hat man es nicht leicht. Und bei mir kam noch erschwerend hinzu, dass sich meine Mutter offenbar das Ziel gesetzt hatte, mich zu blamieren. Zumindest kam es mir an jenem Heiligabend so vor.
    »Bitte bestehe nicht drauf, dass ich mitgehe, Mom. Ich bin wirklich zu alt für so was.« Ich wusste bereits, dass jeder Einwand, den ich vorbrachte, nutzlos sein würde.
    »Ach, komm schon, Eddie, das macht dir doch immer Spaß. Die alten Leute freuen sich jedes Mal, wenn sie dich sehen. Und wie sollen sie deine Größe am Türrahmen auf den neuesten Stand bringen, wenn du dich nicht mehr blicken lässt?«
    Mom lächelte zwar, aber ich hatte das Gefühl, als würdeich einen Balanceakt vollführen. Wenn ich allzu heftig protestierte, musste ich womöglich bis nach Weihnachten auf mein Fahrrad warten.
    »In Ordnung. Aber können wir es dann wenigstens kurz machen? Ich möchte noch genug Kraft übrighaben, um heute Abend all meine Gebete sprechen zu können.« Ich hatte die Gebetsausrede schon seit Jahren nicht mehr benutzt, aber ich hoffte, dass Mom mein Seelenheil wichtiger war als das Weihnachtssingen.
    Ihr Lächeln erstarb. Oje, das hatte nichts Gutes zu bedeuten. »Eddie, deine plötzliche Hingabe an Gott ist wirklich sehr rührend, aber glaub mir, er wird sich auf jeden Fall über deine Gebete freuen, egal, ob du dabei müde bist. Und jetzt hol bitte die Wonder-Bread-Tüten und mach dich fertig, damit wir gehen können.«
    Du liebe Güte, das wurde ja immer schlimmer. Ich hätte nie gedacht, dass die Brottüten-Stiefel meines Vaters in Sachen Peinlichkeit noch zu übertreffen wären, aber nach seinem Tod hatte meine Mutter eine Möglichkeit gefunden: Wonder-Bread-Tüten-Stiefel. Ich durfte jetzt nicht nur billige Plastiktüten über meine Schuhe stülpen, sondern billige Plastiktüten mit quietschbuntem Pünktchenmuster . Es war der totale Alptraum.
    »Die brauche ich heute Abend nicht«, sagte ich mit Entschiedenheit. »Wir steigen ja direkt in den Wagen.« »Keine Diskussion, Eddie. Es ist matschig da draußen,und ich will nicht, dass du den ganzen Abend nasse Schuhe
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