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Der Weihnachtspullover

Der Weihnachtspullover

Titel: Der Weihnachtspullover
Autoren: Glenn Beck
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schneller ich laufen musste, um noch pünktlich zu kommen.
    Ich dachte auch daran, welch eine Ironie es doch war, dass mein Vater als Bäcker viele Brottüten herumliegen hatte, wir aber nie Brot im Haus hatten.
    »Eddie«, sagte er immer zu mir, wenn ich ihn wieder einmal darauf ansprach, »wenn ich das ganze Brot mit nach Hause bringe, damit wir es essen können, was soll ich dann verkaufen?«
    Es war ein lustiger Spruch, aber ich wusste, dass es sich um eine Ausrede handelte. In Wahrheit beeilten sich meine Eltern nach einem langen Arbeitstag immer, den Laden zu schließen, und vergaßen dann einfach, das Brot mit nach Hause zu bringen, auf das sie den ganzen Tag gestarrt hatten. Meine Mutter fand das höchst amüsant. Sie machte Witze darüber, dass der Schusterjunge nie Schuhe zum Anziehen hatte und der Metzgerjunge nie ein Steak zu essen bekam und wir eben genauso seien, aber ich konnte darüber nicht lachen.
    Ich hatte mich so daran gewöhnt, dass wir nie Brot im Haus hatten, dass ich mir einmal ein ganzes Glas Erdnussbutter in eine Schüssel füllte und es gerade mit einem Löffel zu essen begann, als meine Mutter in die Küche kam. Sie musste zweimal hingucken, ehe sie zu glauben vermochte, was sie dort sah.
    »Was zum Kuckuck machst du da?«, fragte sie aufrichtig schockiert, als sie sah, wie ich einen überquellenden Löffel nach dem anderen in meinen Mund schob.
    »Was meinst du denn?«, antwortete ich, um Verständlichkeit bemüht in Anbetracht der Tatsache, dass ich meinen Mund nicht richtig öffnen konnte. »Wir haben kein Brot.«
    »Das ist doch keine Entschuldigung dafür, die Erdnussbutter so herunterzuschlingen. Stell das sofort weg.«
    Ich schob mir noch verstohlen zwei weitere Löffel in den Mund, als sie gegangen war, und schaufelte den Rest wieder ins Glas zurück. Glücklicherweise hatte mich Mom nur wegen des Essens von Erdnussbutter gescholten, und daher waren andere Aufstriche Freiwild. In den nächsten Wochen genoss ich schüsselweise Marshmallow-Creme und Erdbeermarmelade und testete sogar geschlagene Sahne in großen Mengen. Dann versuchte ich mich an Mayonnaise, und damit fand die Reihe meiner brotlosen Versuchsessen schließlich ein abruptes, widerwärtiges Ende.
    Dad hatte es endlich geschafft, meine Brottüten-Stiefel zu seiner Zufriedenheit zu befestigen, und ich sauste durch die Haustür in die Kälte hinaus. Da ich so spät dran war, bot mir das eine wunderbare Entschuldigung, um zu rennen, aber meine eigentliche Absicht bestand darin, so schnell wie möglich außer Sichtweite zu gelangen, damit ich mir die blöden Tüten von den Füßen reißen konnte. Ich hatte einmal den Fehler begangen, damit in der Schule zu erscheinen, und es hatte Monate gedauert, bis meine Freunde aufhörten, sich über mich lustig zumachen. »Bread Bag Ed« – »Ed die Brottüte« – war mein erster Spitzname, der sich aber rasch in das einprägsamere »Breaddie Eddie« verwandelte. Es dauerte bis zum Frühling, bis die Letzten den Vorfall vergessen hatten. Ich brannte nicht gerade darauf, ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen.
     
     
    Der Sekundenzeiger der Hamilton, der einst versinnbildlichte, wie dringend ich an jenem verschneiten Wintertag den fürsorglichen Bemühungen meines Vaters entfliehen wollte, stand nun untätig still und verspottete mich. Ich wünschte, ich wäre an jenem Tag nicht so schnell zur Schule gerannt. Nun schien die Zeit keine Rolle mehr zu spielen.
    Ich legte die Uhr vorsichtig wieder in ihr Kästchen zurück, bedeckte sie mit dem Seidenpapier und schloss den Deckel, um sie dann an ihre alte Ruhestätte zurückzulegen. Ich wunderte mich, dass ein so bewegendes Andenken an meinen Vater in einem dunklen und einsamen Schrank aufbewahrt wurde, aber es erschien mir irgendwie passend.
    Bevor ich mich originelleren Verstecken zuwandte, beschloss ich, das naheliegendste auszuschließen und unter dem Bett meiner Mutter nachzusehen. Es erschien mirziemlich aussichtslos, aber ich hätte es nicht ertragen, wenn mein Geschenk so nahe gewesen wäre und ich es übersehen hätte.
    Ich legte mich auf den Bauch, lüpfte den Saum der Tagesdecke und robbte ein Stück unter das Bett. Meine Augen benötigten ein paar Sekunden, ehe sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, aber als es so weit war, sah alles so aus wie immer. Da waren ein paar Schuhkartons, Einlegeplatten, um den Esstisch zu verlängern, Nähzeug und ... halt, was war denn das? Da war eine Schachtel, die ich noch nie zuvor
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