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Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Kampf ernst zu nehmen. Er schlug aus, traf einen Cowboy hart am Knie, biß nach dem nächsten und entwich über die Brüstung, gewandt einen der strahlenförmigen Aufgänge hinauflaufend, die als Zugänge für die oberen Sitzreihen dienten. Einige Zuschauer schrien angstvoll auf, andere lachten die Cowboys’ aus. Ein paar Reiter und Pferdekenner, die nahe am Aufgang saßen, sprangen herbei, um das Tier am Zügel zu greifen, was aber nur den Erfolg hatte, daß es ausriß und mit erstaunlicher Schnelligkeit weiter aufwärts lief.
    Inzwischen entkam jedoch sein jugendlicher Reiter den Cowboys, die ihre Aufmerksamkeit geteilt hatten und besorgt nach dem Treiben des ledigen Pferdes ausschauten. Harka eilte den Gang zwischen den Zuschauerreihen hinauf, seinem Pferd nach, griff es, wendete es rasch, saß auf und ritt hinab, zurück zur Manege. Dort erwarteten ihn die Cowboys mit ihren Lassos, aber der Vater und der Große Wolf hielten sich bereit, ihn zu decken. Der ganze Zirkus geriet in Erwartung und Aufregung.
    »Wie entsetzlich, wie entsetzlich!« rief Tante Betty. »Was wird noch alles passieren!« Cate hob ihr das Fläschchen mit Erfrischungswasser auf, obgleich sie selbst zitterte.
    Harka klopfte seinem Tier den Hals, um es zu beruhigen, und verständigte sich mit seinem Vater durch einen Blick. Mattotaupa stieß unerwartet einen grellen Ruf aus und drängte seinen Mustang innerhalb der Manege in Harkas Nähe. Der Junge stellte sich auf den Rücken seines eigenen Mustangs, und von da sprang er mit einem großen Satz zu seinem Vater aufs Pferd. Er hatte seine Verfolger wieder genarrt. Der Grauschimmel blieb am Platz.
    Als Harka dem Tier pfiff, hatte er selbst den Vater schon wieder verlassen und unter dem Bauch des Mustangs Schutz gefunden, den Großer Wolf ritt. Der Grauschimmel setzte sich wieder in Bewegung. Die Pferde, die wild aufgewachsen waren, ständig auf der Flucht vor Wölfen und Menschen, waren im Ausweichen und Entkommen, im Beobachten und schnellen Reagieren außerordentlich geschickt und entwickelt. Der Grauschimmel lief auf den Pfiff seines Herrn hin nicht direkt zu diesem und dabei in die Lassos der Cowboys hinein, er umkreiste die Manege auf der Brüstung, stieg, schlug aus, so daß die Zuschauer in den Logen erschreckt zusammenfuhren, und galoppierte, wenn es sein Vorteil erlaubte, quer durch die Manege. Plötzlich saß Harka wieder auf dem Rücken seines eigenen Tieres, und sein Triumphruf schrillte allen in den Ohren. Red Jim ließ seine Pistole in die Luft knattern, um zu beweisen, daß er auch noch zur Stelle sei.
    Wie einst im Herbst bei dem gefährlichen Eselritt, aber mit ungleich größerer Leidenschaft, spalteten sich die Zuschauer jetzt in Parteien. Geschäftstüchtige junge Leute, die die Gunst des Augenblicks erkannten, machten fliegende Wettbüros auf. Sobald der Ausgang des Kampfes zum Gegenstand der Wetten wurde, war selbst in dieser Stadt, die vor nicht langer Zeit einen Aufstand an sich hatte vorbeiziehen lassen, die Frage von »Rot« oder »Weiß« vergessen, und es ging nur noch um »Sieg« oder »Niederlage«, Gewinn oder Verlust. Smith beobachtete das mit innerer Empörung.
    Großer Wolf warf das Lasso nach dem Cowboy, dessen Knie durch den Grauschimmel angeschlagen war und der sich mit diesem schmerzenden Bein mehr als mit den Absichten seiner Gegner beschäftigte. Die Schlinge senkte sich, von hinten her geworfen, über die Schultern des Reiters, und Großer Wolf zog sie mit einem Ruck zu. Der Cowboy wurde aus den Steigbügeln gerissen und flog in den Sand. Die Zuschauer pfiffen ihn aus. Er verließ die Manege und führte sein Pferd am Zügel mit.
    Unterdessen hatte Mattotaupa den zweiten Begleiter Red Jims angegriffen, der sich einen Moment zu lange nach seinem im Lasso gefangenen Gefährten umgeschaut und dabei nicht an seine eigene Position gedacht hatte. Der Dakota ritt hart an ihm vorbei und legte dabei die Lassoschlinge um den Hals des Pferdes, ohne einen Wurf überhaupt nötig zu haben. Er brachte das Pferd zum Sturz. Der Reiter schrie zornig auf. Als er sich aufrichten wollte, merkte er, daß er schon von Harka gefesselt wurde. Die Indianer stießen wieder einen schrillen Triumphruf aus. Red Jim schoß. Harka wurde von der Kugel am Arm gestreift, ohne daß er auf die Gefahr oder die Verletzung achtete. Mattotaupa gab einen Warnschuß gegen Red Jim ab.
    Der Sieg der roten Partei rückte in greifbare Nähe, und damit schlug die Stimmung des Publikums wieder um.
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