Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
den Gulasch?!«
    »Tiger füttern. Die Tierchen haben es doch so gut …«
    »Quatsch! Kommen Sie sofort mit! Es ist Gefahr im Verzüge! In der Manege ist der Teufel los! … Vorwärts, Ellis!« Der Direktor stampfte mit dem Fuß auf.
    »Wieso denn? Wollen Sie mir nicht erklären …« Ellis stellte bei seinen Worten den Karton wieder in den Wandschrank.
    »Nein, nichts will ich Ihnen erklären! Sie will ich haben, und zwar augenblicklich!«
    »Als Inspizient, Personalleiter, Regisseur … oder in welcher Eigenschaft darf ich dienen? Und in welcher werde ich künftig bezahlt?«
    »Kommen Sie, Mann, machen Sie mich nicht wahnsinnig! Es ist die Chance Ihres Lebens, wenn Sie jetzt auftauchen und Ordnung schaffen! Der Stellvertreter hat vollständig versagt, vollständig! Kommen Sie, in der Manege …«
    »… ist etwa Unordnung eingerissen? Kann ich mir denken.«
    Ellis schaute auf die Uhr. »Die Postkutschennummer dauert bereits viel zu lange. Mit zehn Minuten die Zeit schon überschritten. Der Junge ist dabei, was? Vor dem muß ich Sie warnen, Herr Direktor. Ein schlechtes Element, aufsässig …«
    Der Direktor stand bleich, mit halb geöffneten Lippen vor seinem redselig gewordenen Inspizienten.
    »Sehen Sie, Herr Direktor, so wie Sie jetzt vor mir stehen, habe ich einen ganzen Tag vor der Tigra gestanden, und Sie haben sich nicht um mich gekümmert. Aber Scherz beiseite. Schaffen Sie doch selbst Ordnung in Ihrem Unternehmen.«
    »Ellis, ich bitte Sie!«
    »Sie bitten mich?«
    »Inständig! Ellis, so kommen Sie doch!« »Ihrer Bitte kann ich nicht widerstehen. Also los!«
    Ellis sprang aus dem Wagen und eilte in großen Schritten dem Direktor voraus zum Zelt. Wonnegefühl durchdrang ihn. Er sah seine Glanzrolle wiederkehren und weidete sich schon an der Vorstellung, wie alle, die ihn haßten, sich wieder vor ihm beugen mußten. »Aber seien Sie mir nicht im Wege, Herr Direktor, wenn ich heute nacht noch den Jungen verprügeln lasse, der es mit Ronald hält, und wenn ich mit Tigra selbst abrechne!«
    Der Direktor war kaum mehr imstande, diese Sätze überhaupt in sein Bewußtsein aufzunehmen. Durch das rücksichtslose Regiment, das Frank Ellis jahrelang im Betrieb geführt hatte, war der Direktor selbst eingelullt worden. Er hatte sich auf Ellis verlassen, und er glaubte plötzlich, daß er ohne Ellis nicht sein könne. Nichts weiter schien mehr wichtig, als daß Ellis jetzt bereit war, einzugreifen. Es stürmte, die Zeltplanen bauschten sich, in der Manege knatterten die Pistolen, und die Zuschauermenge raste in irgendeiner Ekstase, deren Anlaß der Direktor erst erkannte, als er mit seinem Inspizienten zusammen das große Zelt betrat.
    Die Musik spielte wie verrückt, die Zuschauer schrien und drängten zum Teil von den Sitzreihen schon zur Manege hinab, In einer Loge hatte sich ein weißhaariger Herr erhoben. Er hatte keine Pistole bei sich. Sonst würde er in diesem Moment wahrscheinlich auf den Großen Wolf geschossen haben.
    In der Manege befanden sich nur noch drei Personen: Red Jim, in ein Lasso eingeschnürt, so daß er sich nur noch wie eine Raupe fortbewegen konnte, Mattotaupa und Harka. Der Große Wolf sprengte soeben hinaus, unmittelbar an dem Direktor und Ellis vorbei.
    In der Mitte der Manege nahmen Mattotaupa und Harka ihre verschwitzten Mustangs hoch, und während die Musik einen ­ nach Meinung von Frank Ellis völlig unangebrachten ­ dreifachen Tusch blies, ließen Mattotaupa und Harka die Pferde wieder herunter, galoppierten zu ihren Büchsen, die im Sande lagen, hingen sich herab, ergriffen in vollem Galopp die Waffen und sprengten, in die Luft schießend, dem Ausgang zu. Wer im Wege zu stehen fürchtete, sprang schleunigst beiseite.
    Es fiel noch ein letzter Schuß. Frank Ellis machte eine halbe Wendung und stürzte. Die beiden Dakota verschwanden mit ihren Mustangs in gestrecktem Galopp. Von den Zuschauerplätzen aus hatte man den Inspizienten nicht sehen können und von dem letzten Geschehnis daher auch nichts bemerkt.
    Die Musik versuchte mit ihren Klängen alle Gefühle des Rausches und der Befriedigung zu beschwören. Es entstand aber beim Publikum noch ein Moment der Unsicherheit, da Red Jim gefesselt in der Manege lag.
    Da sprang Old Bob herein, durchschnitt das Lasso, mit dem Red Jim umschnürt war, und wickelte es ab. Dabei rief er ein über das andere Mal: »Wie bei einem Rollschinken! Wie bei einem Rollschinken! Was für eine präzise und zuverlässige Arbeit!« und unter dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher