Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
Diejenigen, die auf den Sieg der Cowboys gewettet hatten, machten kreischenden Lärm und rissen die Meinung der Neutralen, die nicht gewettet hatten, auf ihre Seite.
    »Hier muß unbedingt Schluß gemacht werden!« sagte Smith laut und energisch. »Wer kann denn solche Vorgänge noch verantworten!«
    »Unerhört, daß die Direktion noch nicht eingegriffen hat!« riefen die Beobachter in der Loge nervös.
    »Diese Grenzer und Indianer fühlen sich derart in ihrem Element, daß sie sich selbst vergessen und auch vergessen, wo sie sind!« Der Vertreter von B & B sprach hastig, denn auch der zweite Cowboy hatte die Manege verlassen, und Red Jim stand jetzt den drei Indianern allein gegenüber.
    In der Manege begann damit ein wildes Spiel um Red Jim. Es zeigte sich, daß er weit mehr konnte, als seine beiden besiegten Gefährten, auch weit mehr, als er selbst bisher gezeigt hatte. Der Beifall feuerte ihn an. »Meine Freunde sind hinterlistig angegriffen worden!« schrie er, während er neben seinem eigenen galoppierenden Pferd hersprang, um mit einem überraschenden Sprung wieder aufzusitzen. »Verwundet mußten sie den Kampfplatz verlassen! Ich aber werde mich gegen diese rothäutigen Kojoten wehren wie einst ein Daniel Boone! He! Ho!« Tosender Beifall bewies ihm, daß er den richtigen Ton getroffen hatte.
    Die Indianer hatten das Publikum jetzt geschlossen gegen sich. Aber der schäumenden Menge zum Trotz entfalteten auch sie ihr ganzes Können, und die Gefahr gefaßt zu werden, war für Red Jim groß. Er schlug mit dem Knauf seiner Pistole nach der Schläfe von Großer Wolf, der ihn angeritten hatte. Harka packte auf der anderen Seite, aus entgegengesetzter Richtung herankommend, ein Bein des Jim, um es aus dem Steigbügel zu reißen. Red Jim gelang es, Harka an einem der schwarzen Zöpfe zu packen, aber der Junge riß das Messer heraus und schnitt das Haar durch.
    Der Große Wolf schwankte auf seinem Pferd, er war von dem Schlag hart getroffen. Red Jim riß sein eigenes Pferd hoch, um es auf diese Weise aus der sich senkenden Lassoschlinge herauszunehmen, die Mattotaupa geworfen hatte. Er schoß dabei wieder scharf und ließ seine Kugel die Kruppe von Harkas Mustang streifen. Das Tier war kaum verletzt, aber es warf sich nach wenigen Sprüngen auf ein Zeichen seines Reiters hin und schlug mit den Hufen in die Luft.
    Dies spielte sich unmittelbar vor Loge 7 ab, nicht ganz von ungefähr, denn Harka hatte bei dem Einzugsmarsch in dieser Loge den Zirkusdirektor erspäht, und auch die beiden gestriegelten Herren waren ihm aufgefallen. Er hatte sich nebenbei schon über Tante Bettys nichtssagende und zugleich rechthaberische Miene geärgert, denn sie erinnerte ihn an Frank Ellis. Selbst das kleine blasse Mädchen war Harka nicht entgangen. Es schien einige Jahre jünger und viel ängstlicher zu sein als Harkas Schwester Uinonah. Er wußte auch, daß es der weißhaarige Herr in dieser Loge war, der ihn gefragt hatte, ob er Sitting Bulls Sohn sei.
    Tante Betty schrie, als nicht weit von ihr die Pferdebeine strampelten, und um wirkliches Unheil zu verhüten, drängte sich Harka zwischen das Tier und den Manegenrand. Verstaubt, erregt, mit gespannten Sehnen, mit dem Glanz in den Augen, der im entschlossenen Kampfe entsteht, wartete er nur auf die nächste Gelegenheit, sich weiter an dem gefährlich gewordenen Spiel zu beteiligen. Der Große Wolf hatte das Gleichgewicht wiedergefunden und umkreiste mit Mattotaupa zusammen Red Jim. Die Zuschauer tobten. Niemand wußte, wann sie vielleicht selbst zu schießen beginnen würden.
    Der Direktor wurde blaß und stürzte hinaus. Er rief draußen laut nach allen Stallburschen und Dienern, sich sofort in der Nähe der Manege bereitzuhalten. Aber da der Wind zu einem Sturm angewachsen war, unter dem die Baumkronen bereits rauschten und sich bogen, konnte niemand die Seile und Haltepflöcke verlassen, und so war die Schar, die sich zusammenfand, nicht eben groß. Der Direktor rannte weiter. Er riß im Hinauslaufen den stellvertretenden Inspizienten, dem auch schon die Schweißtropfen auf der Stirn standen, halb um und schrie ihn an: »Rhinozeros! Gehen Sie doch in die Kleinkinderschule! Wo ist Ellis! Um Gottes willen, Ellis muß sofort her!« Er lief zum Direktionswagen und riß die Tür auf.
    Ellis saß auf dem Sessel. Er hatte einen kleinen Karton und ein paar Brocken Fleisch auf dem Schoß und sortierte.
    »Ellis! Wo stecken Sie denn? Haben Sie nichts anderes zu tun? Wozu brauchen Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher