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Der wahre Hannibal Lecter

Titel: Der wahre Hannibal Lecter
Autoren: Jaques Buval
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Recht im Gefängnis sitzt, wünscht man ihm zwar keine Gnade. Aber ein klein wenig Beachtung. In den letzten Jahrzehnten wurden unzählige Hilfsorganisationen gegründet, die für die artgerechte Haltung von Tieren eintreten.
    Man würde sich wünschen, dass Robert Maudsley Ähnliches widerfährt.
    Sollte das Leben eines Menschen, und sei es auch das eines Mörders, nicht höher geachtet werden als das eines Tieres?
    Lasst ihn nicht frei. Jeder Tag soll ihn an seine Taten erinnern.
    Aber einen Menschen 23 Stunden des Tages nur Zentimeter des Firmamentes sehen zu lassen, das ist barbarische Quälerei.
    Wir leben im Jahre 2001 und wollen nicht mehr Zustände wie im Mittelalter, auch nicht im Gefängnis.
    Maudsley brüllt in seiner Zelle wie ein langmähniger Löwe, um ein klein wenig Beachtung zu finden. Wirkliches Glück hat er nie erlebt. Nie in seinem Leben fand er Wärme, Verständnis und Geborgenheit. Täglich versprach er seinem Vater, sich zu bessern, und erduldete dabei dessen unsägliche und sadistische sexuelle Misshandlungen. Was er heute mitzuteilen hat, sind die Bekenntnisse einer unglücklichen Kindheit. Maudsley, psychisch am Ende, glaubt am Wendepunkt seines Lebens zu stehen. Er sieht sich, völlig abgeschirmt von der Gesellschaft, zunehmend als Opfer. Er versucht, seine unerträglichen Gedanken und mörderischen Phantasien zu minimieren. Seine Taten sind mit nichts zu entschuldigen und können mit nichts gesühnt werden. Auch nicht mit seinem Tod oder seinem Selbstmord. Seine Opfer hat er zwar ausgewählt, sogar aus-spioniert, aber er gehört nicht in jene Kategorie der Serienkiller, die eine raffinierte Logistik entwickelt haben.

    Blutrot ist die Tinte, mit der diese Ausgeburten der Hölle schreiben, und doch schreiben sie ein Kapitel unserer Zeitgeschichte, zeichnen auf und halten uns einen Spiegel vor das Gesicht, ob es uns gefällt oder nicht. Auch der sanfte Riese, der angeblich ohne Skrupel das Hirn eines anderen Menschen verspeiste, ist ein Mitbewohner unserer Welt. Das gibt uns nicht das Recht, noch barbarischer zu sein und Folter zu erlauben wie vor hunderten von Jahren.
    In den Psalmen, aus denen Robert John Maudsley zitierte, heißt es auch (Psalm 102):
    »Denn der Herr schaut herab aus heiliger Höhe, vom Himmel blickt er auf die Erde nieder; er will auf das Seufzen der Gefangenen hören und alle befreien, die dem Tod geweiht sind.«
    Ein wenig sollte man auch das Seufzen des Robert John Maudsley erhören und vielleicht sogar seinen Wunsch nach einem Wellensittich erfüllen. Anzunehmen ist, dass er dieses Tier die Liebe verspüren lässt, die er sein ganzes Leben vermissen musste.
    Grausam, bestialisch waren seine Taten, ohne Rücksicht.
    Wenn wir uns nicht auf dieselbe Stufe stellen wollen, sollten wir diesem Menschen das Leben ein wenig erleichtern. Zu Recht will niemand seine Taten verstehen können. Und doch ist er auf unsere Hilfe angewiesen, wenn wir ihn schon leben lassen.

    Im Dezember 2000 schreibt der Autor dieses Buches den folgenden Brief an Robert Maudsley:
    »Sehr geehrter Herr Maudsley,
    ich habe Ihren Brief in der Zeitung gelesen, und er hat mich sehr beeindruckt. Den Brief über ein für seine Mitmenschen nicht verständliches Leben wie das Ihre. Sie sind ein Mensch, der lebendig begraben wurde und sich nach dem Licht des Lebens sehnt. Sie haben in Ihrer Kindheit Schmach und Erniedrigungen erlitten. Sie haben Qualen, unermessliche seelische und körperliche Schmerzen erduldet, die das Gehirn des ›draußen‹ Lebenden nicht nachvollziehen kann. Ich sehe Ihr Bild vor mir und lese Ihre Wünsche. Nach einem Wellensittich, einem kleinen hilfsbedürftigen Vogel. Für mich ist nicht nachvollziehbar, warum Sie versichern: ›Ich verspreche, ihn zu lieben – und ihn nicht zu essen.‹ Man berichtet so viel über Sie und Ihre Taten. Man weiß, Sie töteten vier Menschen. Sie löffelten und aßen das Gehirn aus dem geöffneten Schädel eines Ihrer Opfer. Wollten Sie das Gedächtnis eines Menschen auslöschen, in sich aufnehmen, was Sie an so viel selbst erlebtes Leid erinnert hat? Wie wären Sie ohne Hilfsmittel an den Geist eines Menschen heran-gekommen? Haben Sie versucht, das zu vernichten, was einen Menschen dazu bringt, pädophil oder zum Vergewaltiger gegen das eigene Geschlecht zu werden? Haben Sie versucht, ein wenig das selbst Erlebte zu verdrängen? Ich lese über Ihre Unterbringung und Ihre Haftbedingungen, die mir in der heutigen Zeit mehr als menschenunwürdig
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