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Der wahre Hannibal Lecter

Titel: Der wahre Hannibal Lecter
Autoren: Jaques Buval
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Maudsley als kleinen Jungen. Er sitzt auf einer Steintreppe und blickt scheu in die Kamera. Unbeholfen und ängstlich sitzt er da in seinen kurzen Hosen und seinem getupften Hemd, das er unter einem unifarbenen Pullover trägt.
    Seite 2 ist überschrieben mit dem Titel »I never thought him troublesome« (»Ich hätte niemals gedacht, dass er Ärger macht«) und zeigt Robert Maudsley beim Schreiben eines Briefes. Das Bild ist untertitelt: »Newspapers have labelled me Britain’s Hannibal Lecter« (»Die Zeitungen haben mir den Titel Hannibal Lecter verliehen«).
    Die nächste und letzte Seite des Artikels hat die Überschrift »I don’t remember him as insane« (»Mir kam er nie verrückt vor«) und zeigt ein Bild von Maudsley in seiner Zelle. Es ist der Raum, in dem er fast ein Vierteljahrhundert verbracht hat.
    Die Wände sind nicht verputzt. Blanke Ziegelsteine, wohin man sieht. Ein zugemauertes Fenster, das keinen Blick nach draußen freigibt. Kein Bild an den Wänden. Nur nackter Ziegel. Mit hasserfülltem Gesicht lässt er sich fotografieren.
    Die Haare sind schulterlang. Seine tief sitzenden Augen glühen vor Aggressivität. Wutentbrannt verzerrt sich sein Mund und gibt die schräg stehenden Zähne des Unterkiefers frei. Man kann verstehen, dass die Wärter dieses Gefängnisses Angst vor ihm haben, nun wahrscheinlich mehr als je zuvor. Sein Gesichtsausdruck ist kämpferisch. Er will erreichen, was er sich in den wirren Kopf gesetzt hat. Er ist zu allem bereit. Der nächste Mord steht in seinen Augen. Dass er einen Wärter ermorden will, sagt er voraus, und die Gefängnisverwaltung zittert. Was er denkt, was er fühlt, schreibt er in einem Brief, der die Nation erschreckt, aber auch ein wenig mitleidig stimmt.
    In fast filigraner Schrift, die einzelnen Buchstaben wie gemalt, beschreibt er, was ihm seit seinem Haftantritt vor 26Jahren bis heute widerfahren ist:
    »Wie kommt es nur dazu, dass ich mich in Wakefield in permanenter Einzelhaft befinde? Ich habe zuerst einen Mann da draußen umgebracht. Da fand ich mich in der Krankenabteilung in Broadmoor wieder. Dort habe ich einen Mitpatienten getötet und kam später nach Wakefield, wo ich zwei weitere Inhaftierte umbrachte. In den Protokollen steht, dass ich die meiste Zeit in Einzelhaft verbracht habe … Aber nie, weder in Broadmoor noch in einem anderen Gefängnis habe ich psychologische oder psychiatrische Hilfe bekommen.
    Die verschiedensten Zeitungen haben mich als ›Großbritanniens Hannibal Lecter‹ abgestempelt. Sehr sensations-gierig, ohne Zweifel. Und ich habe in den letzten Jahren viel Post von Leuten bekommen, die den Film ›Das Schweigen der Lämmer‹ gesehen haben und glauben, das wäre ein Porträt meiner Lebensgeschichte. Sollen sie doch glauben, was sie wollen. Ich denke, dass sich die Leute fragen könnten, in welchem Maße die Umwelt und die Behandlung, der ich in Wakefield ausgesetzt war, dazu beigetragen haben, dass ich in einer so wilden Art reagieren konnte. Wie Sie wissen, sehe ich zur Zeit keine Psychologen oder Psychiater. Es scheint, Wakefield ist froh, mich in permanenter Einzelhaft zu halten, nachdem ich Mithäftlinge umbrachte. Alles, was Wakefield seit 1978 getan hat, ist, mich zu verteufeln. Sind wir nicht alle Produkte unserer Umwelt? Sie, Fräulein Prentice, und ich?
    Hängen nicht unsere Meinungen, unser Glauben etc. davon ab, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen? Die Gefängnisleitung von Wakefield sieht mich als Problem. Sie löst das Problem, indem sie mich lebendig begräbt. In einem Käfig, meinem Zementsarg. Aber ist das die endgültige Lösung? Was für ein Ziel steckt dahinter, wenn man mich 23 Stunden am Tag einsperrt. Warum kümmert man sich noch darum, mich zu füttern und mir eine Stunde Auslauf am Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr zu geben, wenn man mir andererseits nicht erlaubt, zu irgendeinem anderen Häftling, nicht einmal durchs Fenster, zu sprechen. Für wen soll ich denn jetzt ein Risiko sein? Ich habe doch nur Vergewaltiger und Pädophile umgebracht. Meine kriminelle Vergangenheit zeigt, dass doch nur diese Gruppe gefährdet ist. Warum das so ist? Ich gebe es zu: Ja, ich bin selber vergewaltigt worden. Ich bin sexuell missbraucht worden von einem solchen Menschen. Und deshalb verachte ich diese Menschen genug, um sie umbringen zu können … Ich bin nicht dafür verurteilt worden, Gefängniswärter umgebracht zu haben. Und ich bin nicht verurteilt worden, weil ich Gefängniswärter verwundet oder
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