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Der Vormacher

Der Vormacher

Titel: Der Vormacher
Autoren: Ferdinand Decker
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vermasselt. Morgen redet das ganze Büro darüber, so viel steht fest. Als ich die letzten Meter bis vors Haus fahre, ist mein Magen ein einziger schmerzender Klumpen.
    Gerade will ich die Haustür aufschließen, da geht sie von innen auf. Jana steht vor mir. Im Abendkostüm.
    »Hast du meinen Anruf nicht bekommen?«, fragt sie.
    »Was für einen Anruf?«
    »Ich hab dir was draufgesprochen.«
    »Oh. Was gibt’s denn?«
    »Ich hatte Lust, essen zu gehen. Ich habe bei Carlini reserviert. Oder bist du zu müde?«
    Natürlich bin ich zu müde. Natürlich will ich nicht bei Carlini sitzen mit Jana, ich will unter die Dusche, vor den Fernseher und ins Bett. Ich will nie zu Carlini. Natürlich gehen wir trotzdem hin. Carlini ist ein typisches Janarestaurant. Eine Pizzeria mit Allüren. Die Pizzen sind doppelt so teuer wie anderswo, dafür liegt kaum etwas darauf, die Salami schmeckt nach Pferd und am Fenster zieht es. Jana will immer am Fenster sitzen.
    »Luigi«, sagt sie mit übertrieben italienischer Aussprache, wenn sie reserviert. »Kannst du uns die tavola privata am Fenster freihalten? Mille grazie .«
    Luigi ist ganz verrückt nach Jana, weil sie ihn immer so unterwürfig anstrahlt und ein lächerlich hohes Trinkgeld gibt.
    »Was guckst du denn so?«, fragt Jana.
    »Drei Scheiben Salami«, sage ich. »Auf einer Riesenpizza. Drei Scheiben Salami, fünf Oliven und ein bisschen Tomatensaft.«
    »Das ist eben echte Pizza«, sagt Jana. »Wie man sie in Napoli isst. Nicht so ein amerikanischer Fast-Food-Müll mit drei Zentimetern altem Käse drauf.«
    »Wann bist du denn in Neapel gewesen?«
    »In Napoli? Warum?«
    »Auf Deutsch heißt es Neapel«, erkläre ich. »Woher willst du denn wissen, dass man in Neapel Pizza mit drei Scheiben Salami und fünf Oliven isst, wenn du noch nie da warst?«
    »Die Carlinis sind eine alte Napolitaner Familie«, sagt Jana belehrend. »Und die Salami ist original sizilianische Pferdesalami aus biologisch-dynamischem Anbau.«
    »Ich hab die Karte auch gelesen«, sage ich. »Das Pferd tut mir leid. Es muss ein Hundeleben gehabt haben.«
    »Ach, Henri«, sagt Jana. »Du bist immer so negativ. Nächstes Mal suchst du ein Restaurant aus.«
    Sie klingt gefasst, aber die Runzeln auf ihrer Stirn verraten sie. Noch ein, zwei Sticheleien und sie platzt.
    »Ist alles nach Wunsch, signora ?« Wie aus dem Nichts taucht Luigi neben unserem Tisch auf.
    »Oh, alles ausgezeichnet, Luigi, wie immer«, flötet Jana.
    Luigi deutet eine Verbeugung an und verschwindet.
    »Warum redest du eigentlich immer so komisch mit Luigi?«, frage ich.
    »Wie denn?«
    »So piepsig. Willst du was von dem?«
    »Oh.« Jana lächelt. »Bist du eifersüchtig?«
    »Ach was!«
    »Ach, Henri.« Sie streicht mir über den Handrücken. »Wie süß. Luigi ist ein Goldstück, aber du bist und bleibst der einzige Mann für mich. Auch wenn du manchmal ein bisschen brummig bist.«
    So ist Jana. Sie nimmt mich einfach nicht ernst. Wir essen schweigend. Beim Nachtisch beginnt Jana, mir verschwörerische Blicke zuzuwerfen.
    »Ich bin ganz schön fertig«, sage ich.
    »Ich möchte etwas mit dir besprechen, Schatz«, sagt sie.
    Ich warte.
    »Etwas Wichtiges.« Sie lächelt dämlich. »Etwas sehr Schönes.«
    Sie schaut mich Hilfe suchend an. Ich sage nichts.
    »Wir sind jetzt schon acht Jahre zusammen.«
    Acht Jahre. Mein Gott.
    »Nächstes Jahr werde ich vierunddreißig.«
    Theodora ist fünfundzwanzig. Den Unterschied sieht man.
    »Und da dachte ich mir … na ja, du wolltest doch gerne Kinder haben?«
    Typisch Jana. Was sie auch will, sie tut immer so, als ob sie mir einen Gefallen täte. Sie nimmt meine Hand.
    »Henri, wollen wir ein Kind machen?«
    »Jetzt?«
    »Henri, ich meine es ernst.«
    Ich muss es ihr sagen.
    »Jana …«, beginne ich.
    »Ja, Schatz?«
    Jetzt schaut sie mich wieder so an. Das verkrafte ich nicht. Wenn ich es ihr sage, bricht sie bestimmt in Tränen aus. Ich sehe sie schon vor mir, die geschwollenen Augen, der Hundeblick. Dann kommt Luigi – » Ma signora ! Was ist denn los?« –, und sie fangt laut an zu schluchzen und rennt auf die Toilette, oder sie wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und sagt mit ihrer Filmstimme: »Nichts, nichts, Luigi« oder sogar » Oh, tutto bene, tutto bene « – nein, ich kann’s nicht.
    »Was ist denn, Schatz?«
    »Ich …« Ich kriege es nicht über die Lippen.
    »Ja?« Immer noch hält sie meine Hand fest. Ihr Blick ist mütterlich besorgt. Ich starre auf die
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