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Der Vormacher

Der Vormacher

Titel: Der Vormacher
Autoren: Ferdinand Decker
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Tischdecke.
    »Jana, ich will dir … ich muss dir etwas sagen.« Ich schlucke.
    Jana schaut mich ernst an.
    »Ich verstehe«, sagt sie.
    »Ja?«
    »Ja«, nickt sie. Ihre Augen tränen. Vor Rührung. »Ich dich auch, Henri. Ich dich auch.«

 
     
     
     
    M itten in der Nacht klingelt das Telefon, aber ich bin nicht schnell genug.
    »Wer war das?«, fragt Jana schlaftrunken.
    »Keine Ahnung«, sage ich. Das ist die Wahrheit. Unbekannte Nummer steht auf der Anzeige. Mein Herz klopft wie wild, als ich zurück unter die warme Decke krieche. Neben mir liegt eine glückliche Jana. Nächsten Monat will sie die Pille absetzen, wenn der Arzt grünes Licht gibt. Dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, und ich werde Vater. Eine kleine Jana, oder ein kleiner Janus, oder beides. Grauenvoll.

 
     
     
     
    D er nächste Tag ist noch schlimmer. Jana hat Croissants aufgebacken. Während des Frühstücks redet sie über nichts anderes als Kindernamen. Im Büro ist es nicht besser. Theodora ist nicht da. Ich habe das Gefühl, dass man über mich redet, hinter meinem Rücken natürlich. Emil arbeitet wie ein Besessener. Er hat schon wieder ein Projekt abgeschlossen. Ich mache ein paar Entwürfe, damit ich nicht allzu sehr ins Hintertreffen gerate. Nichts Besonderes. Aber besser als Emils plumpe Slogans ist es allemal.
    Um die Mittagszeit habe ich genug. Ich gehe nicht wie die anderen ins Bistro, ich gehe eine Straße weiter zum Chinesen und bestelle das Mittagsmenü. Die Bedienung wirkt müde. Sie ist die Frau vom Koch, ein kleiner, runder Mann in einer dreckigen Schürze. Beim Abräumen lässt sie einen Teller fallen. Während sie die Scherben auffegt, ruft ihr Mann wütend aus der Küche. Ich verstehe kein Wort, es wird wohl Chinesisch sein. Sie schimpft zurück. Dann stapft sie in die Küche. Noch mehr Geschrei. »Sojaboon, sojaboon« oder so ähnlich. Auf einmal ein Klatschen, dann herrscht Ruhe. Einen Moment später kommt sie mit drei Tellern wieder. Auf ihrer linken Wange prangt der Abdruck einer Hand. Ich esse Reis mit Hühnchen. Als ich zahle, kommt der Mann aus der Küche. Die Frau reicht ihm ein Glas Wasser und macht dabei einen Bückling. Er trinkt ohne ein Wort. Sie lächelt ihn an und gibt mir zu viel Wechselgeld.
    Die kleine Szene bessert meine Laune erheblich. Der Mann hat recht. Ich weiß, was ich will, und ich werde es Jana schon klarmachen. Und wenn sie in Tränen ausbricht, wenn sie mir Vorwürfe macht, wenn sie wütend aus dem Haus stürmt – umso besser. Das Leben ist hart.
    Die Arbeit geht mir leicht von der Hand. Ich runde ein Konzept ab und gehe damit zum Chef.
    »So, so, Hiller, das lässt sich sehen«, brummt er zufrieden. Ich sag’s doch. Ohne mich wäre der Laden schon lange am Arsch. Ich gehe früher nach Hause. Schließlich habe ich was mit Jana zu regeln. Als ich meine Jacke anziehe, steckt Linda den Kopf zur Tür herein. Sie hat mich vorhin schon so komisch angeguckt. Sie ist schuld, dass man über mich redet, und jetzt wird sie sicher ein paar schnippische Bemerkungen machen. Aber heute bin ich unverwundbar. Ich ziehe einen unsichtbaren Hut und empfange sie mit einem galanten Lächeln.
    »Womit kann ich dienen, verehrte Kollegin?«, frage ich.
    »Du bist ja gut drauf heute«, sagt sie. »Ich wollte nur sagen – ich habe dir die falsche Nummer gegeben gestern. Entschuldigung.«
    »Welche Nummer?«, frage ich.
    »Von Theodora«, sagt sie. »Sie hat eine neue Handynummer, ich hatte noch die alte im Telefon. Tut mir leid.«
    Sie schaut so unschuldig wie ein Lamm. Vielleicht war es wirklich ein Versehen.
    »Kein Problem«, sage ich gelassen. »Ich bin eh nicht mehr dazu gekommen, anzurufen.«
    »Hier ist die neue Nummer«, sagt sie und gibt mir einen Zettel.
    »Ach, lass mal«, sage ich.
    »Sorry noch mal«, sagt sie und geht.

 
     
     
     
    A uf dem Nachhauseweg höre ich meine Blues-CD. »I was born for good luck – bad luck don’t follow me«. Yessir! Die Nummer war falsch. Theodora hat meine Nachricht gar nicht bekommen. Sie hat also auch nicht aufgelegt, als sie meine Stimme gehört hat. Sie weiß von nichts. Ich halte vorm Kino. Ich habe eine Glückssträhne, das fühle ich. Dann kann ich ruhig schon mal Karten kaufen. Zwei Karten für den neuen Jaquinet.
    Ich bin so gut drauf, dass ich spontan eine Zigarette rauche. Auf dem Heimweg sind alle Ampeln grün. Und der Volvo des Nachbarn steht endlich vor seinem eigenen Grundstück, wie sich das gehört, und nicht halb vor unserer
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