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Der Vormacher

Der Vormacher

Titel: Der Vormacher
Autoren: Ferdinand Decker
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der Chef mit seiner buttrigen Bassstimme. Mein Herz rast, als liefe es einer Straßenbahn hinterher.
    »Gustaf?« Das ist Linda, die Einzige, die es sich erlauben kann, den Chef mit Vornamen anzusprechen. Sie streckt den Kopf zur Tür herein und winkt mit ihrer schönen Sekretärinnenhand. Der Chef lächelt, als er sie sieht. Ich bin nicht der Einzige, der gerne wüsste, wie gut die beiden eigentlich zusammenarbeiten. »Gustaf, dein Termin ist gleich.«
    Der Chef geht. Das Meeting löst sich auf. Mit einem warmen Gefühl im Bauch gehe ich in mein Büro. Ich hole meinen alten Gameboy aus der Schublade und spiele Tetris, um mich abzulenken. Tetris spiel ich schon seit über zehn Jahren. Es entspannt mich. Da klingelt mein Handy. Es ist Jana. Ich warte fünf Sekunden, dann nehme ich ab.
    »Hallo, Schatz«, sagt sie.
    »Hallo, Jana. Was gibt’s?«
    »Ich habe gerade an dich gedacht.«
    »Und?«
    »Nichts und. Alles klar da?«
    »Bestens. Warum rufst du an?«
    »Was ist denn, Henri? Du klingst so gereizt!«
    Ich hätte besser aufpassen sollen. Sie hat Verdacht geschöpft.
    »Ach, so eine dumme neue Kampagne«, sage ich beiläufig. »Du weißt schon.«
    Sie sagt nichts. Ich hole Luft.
    »Ich liebe dich«, sagt sie. Scheiße.
    »Ich dich auch. Bis später.«
    Tetris lenkt mich nicht mehr genug ab. Als letzter Ausweg bleibt nur die Arbeit. Ich erfinde einen neuen Slogan für Mineralwasser – »Klarer geht’s nicht – hier steckt was drin« – und zeichne ein paar schnuckelige Drachen, die in einem Geländewagen übers Land fahren. Was ein Schwachsinn.
    Emil geht; der Chef geht; und sobald der Chef weg ist, leeren sich die Büros schnell. Der Moment ist da. Ich nehme das Päckchen blaue Gauloises aus meiner Tasche. Probehalber öffne ich es ein paarmal, als wollte ich jemandem eine anbieten. Ich übe, bis es eine fließende, alltäglich-elegante Bewegung ist. Ich stecke das Päckchen in meine Hemdtasche und gehe auf den Gang. Da steht jemand in der Raucherecke, aber es ist nicht Theodora, sondern Linda. Die habe ich noch nie rauchen sehen.
    »Henri?«
    Linda hat mich gesehen, ich kann mich nicht mehr zurückziehen. Ich schlendere zu ihr. Dabei sehe ich, dass die Tür von Theodoras Büro schon zu ist.
    »Hallo, Linda.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du rauchst.«
    »Na ja.« Ich werfe einen Blick auf das Päckchen, das demonstrativ aus meiner Brusttasche herausragt. »Nur manchmal. Ich bin Genussraucher.«
    »Willst du eine von meinen? Sind aus Thailand. Hat meine Mutti mitgebracht.«
    Sie hält mir ein schlankes Päckchen mit einem Elefanten hin. Ich nehme eine und beuge mich zu ihr, als sie mir Feuer gibt. Ihr Dekolleté zwinkert mir zu. Vorsichtig versuche ich, das Gespräch auf Theodora zu lenken.
    »Schmeckt gut«, sage ich. »Gewürzt, oder? Ein bisschen Zimt oder so was.«
    »Ach, alles Mögliche«, sagt sie. »Schau, hier steht es. Cinnamon spice.«
    »Cinnamon, das ist Zimt.«
    »Oh. Das wusste ich nicht.«
    »Eigentlich komisch, eine Zigarette mit Zimt zu würzen«, gebe ich zu bedenken. »Aber hier ist es ganz wenig, ganz dezent. Richtig edel.«
    »Du weißt immer so viel«, sagt sie. Meint sie das ironisch? Ich kann ihr Gesicht nicht sehen, weil sie gerade in ihrer Handtasche kramt.
    »Dich sieht man auch nicht oft rauchen«, sage ich.
    »Nur manchmal«, nickt sie. Sie ist immer noch mit ihrer Handtasche beschäftigt. Ich wage mich vor.
    »Ich glaube, Helmut raucht von uns am meisten«, sage ich. »Und von den Frauen Lise.«
    »Lise?«, wiederholt sie. »Ach was, Theodora raucht viel mehr als Lise!«
    Genau da wollte ich hin.
    »Theodora … ja, das stimmt.« Dann, ganz beiläufig: »Wo ist Theodora eigentlich? Ich muss ihr noch einen Entwurf zeigen für die Ronnyo-Kampagne.«
    »Wie bitte?«
    Ich habe wohl zu leise gesprochen. Scheiße. Jetzt ist die Beiläufigkeit weg. Linda hat ihre Handtasche zur Seite gelegt und sieht mich neugierig an.
    »Weißt du, wo Theodora ist?«, wiederhole ich. »Ich muss ihr noch einen Entwurf zeigen.«
    »Theodora? Die musste früher weg. Neue Schuhe abholen, glaube ich. Sie trägt doch immer diese besonderen Schuhe von Palavi, die ganz hohen.«
    Linda schaut, als erwarte sie eine Reaktion. Ich kenne die Schuhe von Palavi. Theodora hat drei Paar in verschiedenen Farben. Die roten zieht sie kaum an, obwohl sie ihr am besten stehen. Nuttig auf hohem Niveau.
    »Ja, die hohen Schuhe«, sage ich vorsichtig.
    »Sag mal, Henri«, sagt Linda. »Du bist doch ein Mann. Gefallen dir die
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