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Der Vormacher

Der Vormacher

Titel: Der Vormacher
Autoren: Ferdinand Decker
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auseinander.
     
    Theodora … Ich sitze in meinem Büro und komme nicht zum Arbeiten. Ich soll mir eine Kampagne ausdenken für eine neue Zahnpastamarke. Als ob es nicht schon genug Zahnpastasorten gäbe! Ich spiele mit den Probetuben, langsam drücke ich eine Wurst Zahnpasta in den Mülleimer, vielleicht fällt mir dabei etwas ein; aber nichts fällt mir ein, also kritzle ich ein paar zahnputzende, dickbusige Mädchen auf Papier, die scanne ich ein und stelle sie mit Photoshop vor ein paar Dattelpalmen. Ich verpasse den Mädchen dunkelbraunes Haar, damit sie ein bisschen so aussehen wie Theodora. Theodora. Mein Büro hat ein schmales Nebenzimmer, in dem zwei alte Archivschränke aus grauem Metall stehen. Ich mache noch eine Zeichnung, diesmal von der echten Theodora, ich stelle sie mir vor, wie sie im Archivzimmer steht, sie lächelt mir zu, sie leckt sich über die Lippen. Dann zieht sie sich für mich aus … ach was, zieh dich nicht aus, Theodora, spar dir die Mühe, nur die Hose runter, den Slip zur Seite … ich kann mir genau vorstellen, wie ihr Hintern aussieht … sie hat die Hand zwischen den Beinen, komm, sagt sie, jetzt bin ich feucht genug … dann knie dich hin, Theodora, große, süße, wunderschöne Theodora, ich fick dich, wie dich noch keiner gefickt hat, das willst du doch, oder? – hier zwischen den Aktenschränken, deine bloßen Knie auf dem Linoleum, der Muff von alten Aktendeckeln mischt sich mit deinem Frauensaft …
    Der Chef steckt den Kopf zur Tür herein. Ich reiße das Blatt mit den verfänglichen Skizzen vom Block und seufze.
    »Geht nichts heute«, sage ich und mache ein betont mutloses Gesicht.
    »Das wird schon«, sagt der Chef und geht wieder. Er weiß, dass ich mich nicht drängen lasse. Ich arbeite nach meiner Methode und in meinem Tempo. Und heute arbeite ich eben gar nicht. Theodora …

 
     
     
     
    M ittags ist eine Besprechung. Theodora sitzt mir schräg gegenüber. Ich vermeide, sie anzusehen. Heute Abend, wenn keiner mehr da ist, werde ich sie ansprechen. Emil hat wieder einen Haufen Vorschläge ausgearbeitet. Er ist ein guter Handwerker, seine Ideen sind prima, aber er hat nicht den Hauch des Genialen, der meine Entwürfe so besonders macht. Emil arbeitet hart, immerzu und ohne Pause, er muss hart arbeiten, um seine Position zu halten. Ich hingegen halte mich manchmal wochenlang zurück und komme dann mit einer Idee, die den ganzen Laden elektrisiert. Emil ist ein Streber. Ich bin ein Naturtalent.
    »Was sagt unser Hiller dazu?«, fragt der Chef. Ich weiß nicht, wovon die Rede ist, ich bin mit den Gedanken bei Theodora. Ob sie sich unten rasiert?
    »Wahrscheinlich schon«, antworte ich. Aus dem verwirrten Blick des Chefs schließe ich, dass meine Antwort nicht zu seiner Frage passt.
    »Ich hatte gerade eine Idee«, sage ich. Das sage ich immer, wenn ich nicht zuhöre. Der Chef hat einen Heidenrespekt vor Ideen, weil er selbst nie welche hat.
    »Was für eine denn?«
    Ich spiele den Standardtrick.
    »Approach«, sage ich. »Wir haben den falschen Approach. Wir müssen ganz anders denken. Unser Erfolg liegt in der Überraschung. Die Konkurrenz gibt dem Kunden das, was er erwartet. Wir müssen dem Kunden das geben, von dem er noch gar nicht weiß, dass er es erwartet.«
    »Aber ›mobility is freedom‹, das ist doch genau, was der Kunde will?«, fragt Emil. Dadurch hilft er mir aus der Patsche. Unfreiwillig natürlich. Mobility is freedom – es geht also um Geländewagen, ja, das neue Geländewagenprojekt. Jetzt muss ich noch einen draufsetzen, das beeindruckt den Chef und vielleicht auch Theodora.
    »Freedom, freedom, freedom«, sage ich leichthin. »Das zieht schon lange nicht mehr. Es sind die Frauen, die in Zukunft die Autos kaufen. Und was wollen Frauen?«
    Ich schaue mich triumphierend um.
    »Erfolg?«, fragt Kuhn.
    »Kinder?«, fragt der Chef. Ich lächle, als sei es ein guter Scherz gewesen.
    »Männer?« Das ist Emil, der sich wieder mal in die Scheiße reitet. Oh, ich liebe unsere Meetings!
    »Liebe«, sagt Theodora, ohne eine Miene zu verziehen. Das habe ich zwar nicht gemeint, aber ich steige voll darauf ein.
    »Liebe«, wiederhole ich und muss schlucken. Das Wort hängt kurz im Raum und fällt dann in zwei Silben auseinander, eine tiefe und eine hohe, als wäre ich im Stimmbruch. Ich trinke einen Schluck Wasser. »Liebe, genau«, bekräftige ich. Theodora wirft mir einen warmen Blick zu. Meine Ohren glühen. Ich verliere den Faden.
    »Liebe«, wiederholt
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