Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Vormacher

Der Vormacher

Titel: Der Vormacher
Autoren: Ferdinand Decker
Vom Netzwerk:
Palavi-Schuhe?«
    »Wie jetzt?«
    »Na ja, findest du die sexy?«
    »Ehrlich gesagt, ich achte nicht so auf Schuhe.«
    »Ich hab den Eindruck, Theodora kommt sich in den Dingern vor wie eine Prinzessin. Und wie die mit den Hüften wackelt! Als ob sie eine Walnuss im Arsch hätte.«
    Interessanter Gedanke. Ich murmle etwas. Linda raucht. Ich nehme einen Zug. Der Zimt geht mir auf die Nerven.
    »Willst du ihre Nummer?«, fragt sie aus heiterem Himmel. Sie zückt ihr Handy.
    »Von Theodora?«, wiederhole ich ungläubig.
    »Von wem sonst?«, fragt Linda. »Von der Heilsarmee?«
    Ich frage mich, warum die Leute immer wieder von der Heilsarmee anfangen müssen.
    »Na ja«, sage ich vorsichtig. »Muss nicht sein. Ich kann doch morgen mit ihr sprechen.«
    »Sicher?«, meint Linda. »Ich dachte, es wäre dringend.«
    Wenn ich weiterhin ablehne, mache ich mich noch verdächtiger.
    »Es ist schon dringend«, sage ich. »Nächste Woche ist Deadline.«
    »Na also«, sagt Linda. »01578-4964927. Ich schreib’s dir auf.«

 
     
     
     
    A ls sie weg ist, gehe ich wieder in mein Büro. Da sitze ich und starre auf den Zettel vor mir auf der Schreibtischplatte. Seit Wochen will ich diese Nummer. Aber ich hätte sie lieber von Theodora selbst bekommen. Was Linda heute weiß, weiß morgen das ganze Büro. Ich habe mir nichts anmerken lassen, ich habe nach der Nummerübergabe noch zehn Minuten über alles Mögliche mit Linda gequatscht, ich habe den Zettel mit Theodoras Nummer sogar zunächst liegen lassen, absichtlich, damit sie merkt, wie wenig die Nummer mir bedeutet. Ob das geholfen hat?
    Es ist acht. Höchste Zeit, nach Hause zu gehen. Jana wartet mit dem Essen. Soll ich Theodora anrufen oder nicht? So ein Anruf ist etwas ganz anderes als eine spontane Einladung, die man geschickt in ein Gespräch einbinden kann. Zwischendurch mal einen Film zu erwähnen – »Ja, ich hab gehört, dass der gut ist, aber Jana hat ihn schon gesehen – Was, du wolltest auch noch hin? – Warum gehen wir nicht einfach zusammen …« –, das ist die normalste Sache der Welt. Ein Anruf, das ist viel intimer, da weiß sie sofort, was ich will. Andererseits, wenn ich nicht anrufe, und Linda kommt dahinter, dann gäbe das auch Gerede. Das wäre ja, als traute ich mich nicht.
    Das Handy klingelt. Es ist Jana. Ich warte. Das Handy schnurrt. Sie hat eine Nachricht hinterlassen. Was wird sie schon wollen? Wahrscheinlich soll ich noch irgendwo Milch kaufen auf dem Nachhauseweg. Ich denke nicht daran. Ich trinke meinen Kaffee schwarz, wenn sie Milch will, soll sie selbst zum Laden fahren, ist doch nicht weit mit dem Auto.
    Ich werde Theodora anrufen. Erst werde ich was zum Projekt fragen, irgendein Detail, und dann bringe ich die Sprache aufs Kino. Ich wähle. Es ist nicht besetzt. Sechsmal das Freizeichen. Plötzlich der Anrufbeantworter. Keine Ansage, nur ein langes Piep. Verschreckt lege ich auf. Ich hinterlasse keine Nachricht, damit sie nicht hört, wie nervös meine Stimme klingt. Ob sie wirklich neue Schuhe abholt? Oder hat Linda das nur aus Gehässigkeit gesagt?
    Ich stopfe ein paar Unterlagen in meine Tasche, nehme meine Jacke vom Haken und gehe. Noch später darf es nicht werden, sonst wird Jana misstrauisch. Im Auto lege ich eine CD mit italienischen Opern ein, Verdi oder so was, von Jana. An der Ampel durchfährt es mich siedend heiß. Ich habe die Nummererkennung nicht ausgeschaltet. Theodora weiß also, dass ich angerufen habe. Sie weiß auch, dass ich mich nicht getraut habe, eine Nachricht zu hinterlassen. Das ist schlimmer als eine nervöse Stimme auf dem Band, schließlich kann ich wegen allem Möglichen nervös sein. Ich muss noch mal anrufen. An der Ecke zu unserer Straße fahre ich rechts ran und drücke Wahlwiederholung. Wieder der Anrufbeantworter.
    »Theodora«, sage ich, »hier spricht Henri.« Was jetzt? Keine Pausen, das fällt auf! »Ich wollte dir noch einen Entwurf zeigen. Lass uns das morgen früh gleich regeln, es ist dringend.« Jetzt.
    »Ach, noch was … hast du den neuen Jaquinet schon gesehen? Jana kann nicht, und ich hab zwei Karten für nächsten Mittwoch. Willst du mit?«
    Ich lege auf. Der Schweiß steht mir auf der Stirn. Was habe ich da eigentlich gesagt? Noch plumper geht es nicht. Ich rufe noch mal an. Freizeichen. Plötzlich nimmt sie ab.
    »Oh«, entfährt es mir. Keine Antwort. »Theodora? Hier spricht Henri.« Nichts. Ein Klicken. Sie hat aufgelegt, ohne ein Wort zu sagen! Jetzt hab ich es erst richtig
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher