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Der verzauberte Turm

Der verzauberte Turm

Titel: Der verzauberte Turm
Autoren: Michael Moorcock
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sorgsam zu erhalten trachteten, selbst in solchen Situationen.
    Seitdem Elrics Leidenschaft zu Cymoril ihren Tod und die Vernichtung der geliebten Stadt ausgelöst hatte, war Elric stets vorsichtig gewesen, mit Menschen, die sich zu ihm gesellten, engere Bindungen einzugehen.
    Er war vor Shaarilla vom Tanzenden Nebel geflohen, die ihn ehrlich geliebt hatte. Er war vor Königin Yishana von Jharkor ausgerückt, die ihm ihr Königreich angeboten hatte, obwohl ihre Untergebenen die Melniboneer haßten. Außer Mondmatt verachtete er Gesellschaft, und Mondmatt selbst langweilte sich schnell bei allen anderen außer dem rotäugigen Prinzen von Imrryr. Mondmatt wäre für Elric gestorben und wußte, daß Elric jede Gefahr eingehen würde, um seinen Freund zu retten. War dies aber im Grunde keine ungesunde Beziehung? Wäre es nicht besser, wenn sie ihrer Wege gingen?
    Der Gedanke war ihm unerträglich. Es war, als wären sie Teile derselben Wesenheit - unterschiedliche Aspekte des Charakters desselben Mannes. Er wußte nicht, warum er so fühlte, und ahnte, daß Elric, hätte er sich jemals mit der Frage beschäftigt, die Antwort ebenso schwergefallen wäre.
    Solche Gedanken gingen ihm durch den Kopf, während er das Fleisch über dem Feuer briet und dabei sein langes Schwert als Spieß benutzte.
    Elric trank inzwischen noch mehr von dem Wein und begann sichtlich aufzutauen. Seine Haut war noch immer überzogen von Frostbeulen, doch beide Männer waren ernsthaften Schäden bisher entgangen.
    Schweigend aßen sie das Wildbret und sahen sich dabei in dem Saal um, verwirrt, weil der Eigentümer sich nicht sehen ließ, zugleich zu müde, um sich große Gedanken über seinen Aufenthaltsort zu machen.
    Später schliefen sie, nachdem sie frisches Holz ins Feuer gelegt hatten, und am nächsten Morgen hatten sie sich von ihrem anstrengenden Abenteuer im Schnee erholt.
    Sie frühstückten kaltes Fleisch, Backwaren und Wein.
    Mondmatt fand einen Topf und erhitzte darin Wasser, mit dem sie sich rasieren und waschen konnten, und Elric fand etwas Salbe in seinem Beutel, mit der sie ihre Blasen bestreichen konnten.
    »Ich habe auch in die Ställe geschaut«, sagte Mondmatt, während er sich mit dem Rasiermesser bearbeitete, das er aus seinem Beutel genommen hatte. »Pferde waren nicht darin. Es gibt allerdings Anzeichen, daß erst kürzlich noch Tiere dort gehalten wurden.«
    »Es gibt nur eine andere Reisemöglichkeit«, sagte Elric. »Irgendwo im Schloß gibt es vielleicht Skier. Jedenfalls müßte man hier damit rechnen können, denn in dieser Gegend liegt mindestens die Hälfte des Jahres Schnee. Mit Skiern würden wir unsere Reise nach Iosaz sehr beschleunigen. Und auch mit Karte und Kompaßstein, wenn sich so etwas finden ließe.«
    Das meinte Mondmatt auch. »Ich suche in den oberen Etagen danach.« Er beendete seine Rasur, wischte das Rasiermesser ab und schob es in seinen Beutel.
    Elric stand auf. »Ich begleite dich.«
    Sie wanderten durch die leeren Räume, doch sie fanden nichts. »Keinerlei Gebrauchsgegenstände«, stellte Elric stirnrunzelnd fest. »Trotzdem scheint mir das Schloß von der Atmosphäre her bewohnt zu sein - und natürlich auch von den sonstigen Indizien her.«
    Sie suchten zwei weitere Stockwerke ab, fanden aber nicht einmal Staub in den Zimmern.
    »Na, vielleicht gehen wir doch zu Fuß weiter«, sagte Mondmatt resigniert. »Es sei denn, wir finden Holz, mit dem wir uns notdürftig Skier machen könnten. Ich glaub, ich hab' da etwas in den Ställen gesehen.«
    Sie hatten eine schmale Treppe erreicht, die sich in den höchsten Turm des Schlosses emporwand.
    »Na, versuch es dort einmal, dann wollen wir unsere Erkundung als erfolglos abbrechen«, sagte Elric.
    Und so erstiegen sie die Treppe und erreichten an ihrem Ende eine halb offene Tür. Elric schob sie ganz auf und zögerte.
    »Was ist?« fragte Mondmatt, der sich unter ihm befand.
    »Der Raum ist möbliert«, sagte Elric leise.
    Mondmatt erstieg zwei weitere Stufen und blickte um Elrics Schultern herum. Ihm stockte hörbar der Atem.
    »Und bewohnt!«
    Es war ein wunderschönes Zimmer. Durch Kristallfenster fiel ein helles, funkelndes Licht herein, auf bunte Seidenbehänge, auf bestickte Teppiche und Wandbespannungen in so frischen Tönungen, daß sie eben erst vollendet zu sein schienen.
    In der Mitte des Zimmers stand ein hermelinbespanntes Bett mit einem Baldachin aus weißer Seide.
    Und auf dem Bett lag eine junge Frau.
    Ihr Haar war schimmernd schwarz;
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