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Der verzauberte Turm

Der verzauberte Turm

Titel: Der verzauberte Turm
Autoren: Michael Moorcock
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Und eine weitere Leiche wurde sichtbar. Es war der Leichnam Myshellas, Herrscherin der Morgendämmerung - der Zauberer hatte ihr die Kehle durchgeschnitten. Theleb K'aarna war verschwunden, zweifellos mit der Hilfe von Zauberkräften.
    Angewidert landete Elric mit dem Vogel aus Metall. Auf den Mauern Tanelorns verblaßte das Licht. Er stieg ab und sah, daß dem Vogel dunkle Tränen aus den Smaragdaugen quollen. Elric kniete neben Myshella nieder.
    Eine gewöhnliche Sterbliche hätte nicht so handeln können, sie aber öffnete die Lippen und sprach, wenngleich ihr Blut aus dem Mund brodelte und die Worte kaum zu verstehen waren.
    »Elric.«
    »Kannst du es überleben?« fragte Elric. »Hast du die Fähigkeit.«
    »Ich kann nicht weiterleben. Man hat mich getötet. Selbst jetzt bin ich tot. Doch es wird dir ein Trost sein zu wissen, daß sich Theleb K'aarna die Verachtung der großen Chaos-Lords zugezogen hat. Nie wieder werden sie ihm helfen, wie sie es diesmal getan haben, denn in ihren Augen hat er sich als unfähig erwiesen.«
    »Wohin ist er verschwunden? Ich werde ihn verfolgen! Beim nächstenmal bringe ich ihn um, das schwöre ich dir!«
    »Ich bin davon überzeugt. Aber ich weiß nicht, wohin er verschwunden ist. Elric - ich bin tot, und meine Arbeit ist in Gefahr. Ich habe seit Jahrhunderten gegen das Chaos gekämpft, und jetzt glaube ich, daß das Chaos seine Macht vergrößern wird. Bald wird der Kampf zwischen den Lords der Ordnung und den Lords der Entropie entbrennen. Die Fäden des Schicksals verwirren sich sehr - die Grundstruktur des Universums scheint sich verändern zu wollen. Du hast daran einen Anteil. einen Anteil. Leb wohl. Elric!« »Oh, Myshella!«
    »Ist sie tot?« Es war die traurige Stimme des Vogels aus Metall.
    »Ja.« Das Wort entrang sich Elrics verkrampfter Kehle.
    »Dann muß ich sie nach Kaneloon zurückbringen.«
    Sanft hob Elric Myshellas blutüberströmten Körper auf, wobei er den halb abgetrennten Kopf mit dem Arm stützte. Er legte den Leichnam in den Onyxsattel.

    Der Vogel sagte: »Wir werden uns nicht wiedersehen, Prinz Elric, denn mein Tod folgt dicht auf den von Lady Myshella.«
    Elric neigte den Kopf.
    Die schimmernden Flügel breiteten sich aus, und mit dem Geräusch klingender Zimbeln stieg das prächtige Wesen in die Luft.
    Elric sah zu, wie es am Himmel kreiste, abdrehte und gleichmäßig nach Süden hielt, zum Rand der Welt.
    Er vergrub das Gesicht in den Händen, doch er war über das Weinen hinaus. War der Tod das Schicksal aller Frauen, die er liebte? Hätte Myshella weiterleben können, wenn sie ihn hätte sterben lassen, als er es wollte? Sein Zorn war aufgebraucht - ihn erfüllte nur noch ohnmächtige Verzweiflung.
    Er spürte eine Hand auf der Schulter und drehte sich um. Mondmatt stand hinter ihm, daneben Rackhir. Die beiden waren von Tanelorn herübergeritten, um ihn zu suchen.
    »Die Banner sind verschwunden«, sagte Rackhir. »Und die Pfeile ebenfalls. Nur die Leichen der Kreaturen bleiben, und wir werden sie begraben. Kommst du mit uns nach Tanelorn zurück?«
    »Tanelorn kann mir keinen Frieden schenken, Rackhir.«
    »Da hast du sicher recht. Aber ich habe in meinem Haus ein Mittel, das Teile deiner Erinnerungen lahmlegt, das dir hilft, manches von den Dingen, die in letzter Zeit passiert sind, zu vergessen.«
    »Für ein solches Mittel wäre ich dir sehr dankbar. Wenn ich auch bezweifle...«
    »Es wird wirken. Das verspreche ich dir. Ein anderer würde beim Genuß des Tranks völliges Vergessen finden. Du kannst nur darauf hoffen, ein wenig zu vergessen.«
    Elric dachte an Corum und Erekose und Jhary-a-Conel und an die Folgerungen, die sich aus seinen Erlebnissen ergaben - daß er, selbst wenn er stürbe, in irgendeiner anderen Form wiederauferstehen würde, um erneut zu kämpfen und erneut zu leiden. Eine Ewigkeit des Kämpfens und des Schmerzes. Wenn er dies vergessen konnte, würde es ihm genügen. Ihn erfüllte der Drang, Tanelorn weit hinter sich zurückzulassen und sich so gut er konnte in den unwichtigeren Problemen der Menschen zu verlieren.
    »Ich bin der Götter und ihrer Kämpfe so überdrüssig«, murmelte er, als er seine goldene Stute bestieg.
    Mondmatt starrte in die Wüste hinaus.
    »Aber wann werden die Götter ihrer überdrüssig sein?« fragte er. »Wenn das geschähe, wäre das für die Menschheit ein glücklicher Tag. Vielleicht sind all unsere Mühen, all unser Leid und unsere Konflikte nur dazu bestimmt, den Herren der Höheren
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