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Der versoffene Papagei

Der versoffene Papagei

Titel: Der versoffene Papagei
Autoren: Alexander Borell
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auf zu summen.
    »Und was soll ich dabei?« fragte er, während er seine Fingernägel betrachtete.
    »Ich muß irgendeinen Gag haben«, erklärte ich. »Wir wollen etwas über das Stück bringen. Es läuft nun schon seit zwei Monaten. Ich dachte an einen Artikel über den letzten Akt. Vielleicht ließe sich da was machen?«
    Er war ungefähr so groß wie ich, aber schmächtiger. Seine langen, weißblonden Haare trug er glatt zurückgekämmt, und seine Augen wirkten unter den buschigen weißen Brauen dunkler als sie in Wirklichkeit waren.
    Er zog ein Taschenmesser mit einem Nagelputzer aus seiner Jackentasche und fing an, sich die Fingernägel zu reinigen.
    »Schießen Sie los«, sagte er. »Was soll’s denn sein? Reden Sie nicht lange herum. Ich muß bald in die Garderobe. Werden Sie von Murchison bezahlt?«
    »Wieso von Murchison ?«
    »Na, der bezahlt doch gern, wenn’s Reklame für ihn ist. Und worüber könnte man beim letzten Akt schreiben, wenn nicht über Murchison .«
    »Ich habe was anderes vor«, sagte ich. »Ich brauche dazu eine Aufnahme und werde nachher aus den Kulissen fotografieren. Ich möchte ein Bild haben, auf dem man sieht, wie Sie das Gift in den Whisky schütten.«
    Das überraschte ihn sichtlich.
    »Von mir? Ein Bild? Wozu soll denn das gut sein? Das ist doch bei Gott keine Sensation.«
    »Es kommt darauf an«, sagte ich grinsend, »was man drunter schreibt. Ich möchte schreiben, daß Murchison , solange er diese Rolle spielt, sozusagen in ständiger Lebensgefahr schwebt. Ich glaube, daß das sensationell genug ist.«
    Nun grinste er auch.
    »Also doch wieder Murchison «, sagte er. »Aber ich verstehe nicht, wie Sie das meinen.« Er klappte sein Taschenmesser zusammen. »ich finde das weder witzig noch sensationell. Warum soll Murchison in Lebensgefahr schweben?«
    »Ich halte es für eine gute Idee zu einem guten Artikel«, sagte ich. »Ich kenne das Stück und finde, daß es eine reizvolle Sache ist, einen Theatermord mit einem echten Mord zu vergleichen. Wenn einer von euch drei dem Alten wirklich Gift in den Whisky schütten würde, dann könnte das Gericht vermutlich bis zum Jüngsten Tage nicht herausbringen, wer es getan hat. Kapiert?«
    »Ach so, jetzt verstehe ich. Aber das ist bestimmt nicht auf Ihrem Mist gewachsen, wie?«
    »Es ist eine sehr naheliegende Idee«, sagte ich. »Und es wundert mich, daß noch niemand draufgekommen ist.«
    Frank Hays lachte nun.
    »Zu spät aufgestanden«, sagte er. »Wir haben darüber schon gesprochen, ich meine Eddie, Glen und ich. Das heißt, eigentlich ist Eddie auf diese Idee gekommen. Wir haben uns so darüber unterhalten, daß es Murchison hören mußte. Seitdem hat er die Hosen gestrichen voll. Wir amüsieren uns köstlich darüber.«
    »Na also!« rief ich erfreut. »Dann mach’ ich diesen Artikel erst recht. Als Aufhänger dafür verwende ich das Foto. Haben Sie noch Zeit genug, mit mir einen Whisky zu trinken?«
    Er nickte, und wir gingen zusammen hinaus. Draußen warf er eine Münze in einen Spielautomaten, wartete, bis die Zahlen zum Stillstand kamen, und folgte mir achselzuckend.
    Wir setzten uns zu Glen Morgan an den Tisch, und ich wiederholte, was ich eben Frank Hays gesagt hatte.
    » Murchison ist ein unangenehmer Bursche«, sagte Glen Morgan. »Er hat uns bei den Proben halb verrückt gemacht; wir sollten ihm tatsächlich mal was in seinen Whisky tun. Vielleicht ein Abführmittel.«
    »Komisch«, sagte ich. »Keiner kann ihn leiden. Warum eigentlich?«
    Glen Morgan winkte mürrisch ab.
    »Ich will keinen Tratsch. Am wenigsten in der Presse. Ich bin noch nicht so weit, daß ich mir das leisten könnte. Ein Wort von Murchison , und ich bin meine Rolle los. Machen Sie, was Sie wollen, aber lassen Sie dabei mich aus dem Spiel.«
    Ich winkte dem Kellner, zahlte die Whiskys und meinen Kaffee und ging hinaus. Diese beiden wußten nun, daß ich ihnen auf die Finger sehen würde; es lag mir ja nichts daran, einen Mord aufzuklären, sondern einen zu verhindern und dabei auf möglichst geruhsame Art Geld zu verdienen.
    Ich blieb am Bühnenausgang stehen und hörte den Beifall aus dem Zuschauerraum.
    Zwei Minuten später kam Murchison . Er trug einen weißen Seidenschal um den Hals.
    »Ah!« sagte er, »Sie sind schon da. Kommen Sie gleich mit herein, ich habe dem Inspizienten schon Bescheid gesagt.«
    Wir gingen durch einen langen, spärlich erleuchteten Gang an den Garderoben vorbei. Es roch nach Staub, Leim und billigem Parfüm.
    »Wo ist
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