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Der versoffene Papagei

Der versoffene Papagei

Titel: Der versoffene Papagei
Autoren: Alexander Borell
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die Garderobe von Eddie, Frank und Glen?« fragte ich.
    »Nummer elf«, sagte Murchison . »Dort hinten. Ich habe Nummer zwei, ganz vorne an der Bühne. In Nummer eins ist Mary Spencer.«
    Als wir in den Bühnenraum kamen, wo uns eine auffallend kühle Luft von oben entgegenwehte, setzte sich die Drehbühne gerade in Bewegung. Es standen nur noch das Zimmer und der Gerichtssaal für den letzten Akt darauf.
    Murchison machte mich mit dem Inspizienten, einem älteren Mann, bekannt, dem ich mein Sprüchlein erzählte. Dann schaute ich mir das Theaterzimmer an, in dem die vorletzte Szene spielte: die üblichen Möbel, wie man sie in einem kleinbürgerlichen Wohnzimmer findet; Sitzecke mit Stehlampe, eine Eßnische mit lackierten Möbeln, Bücherborde, ein Teppich, ein älteres Radio und bunte, kitschige Bilder an den Wänden. Rechts, vom Zuschauerraum aus, befand sich eine Tür, und in der linken Wand war eine offene Schiebetür angedeutet. In der Rückwand war ein großes Fenster, durch das der Polizist nach der Vergiftungsszene hereinzuschauen hatte. Arbeiter brachten gerade einen großen Scheinwerfer in Stellung, der Sonne auf das Fenster werfen mußte.
    »Hier«, sagte Murchison , »hier können Sie sich am besten auf stellen.«
    Wir standen in einiger Entfernung von der Schiebetür. Ich konnte von hier aus den größten Teil des Zimmers überblicken, außerdem die eine Hälfte des Vorhangs und den Glaskasten des Inspizienten.
    »Auf diesem Tisch dort«, fuhr Murchison fort, »steht mein Whisky. Eddie, Frank und Glen treten dort durch die Türe auf, aber nur Frank geht hier auf Ihrer Seite von der Bühne ab.«
    Murchison war so aufgeregt, als handle es sich um eine feststehende Tatsache, daß man ihn heute abend vergiften wolle. Ich begleitete ihn noch in seine Garderobe und sah, daß er kleine Schweißperlen auf der Stirn hatte.
    »Machen Sie sich nur keine Sorgen«, sagte ich. »Es wird Ihnen bestimmt nichts passieren.«
    »Hoffentlich«, murmelte er und tupfte sich vor dem Spiegel vorsichtig die Schweißtropfen ab. Ich versuchte, ihn noch mehr zu beruhigen:
    »Sie werden sehen, daß Ihre Angst grundlos ist. Wir können nach dem Stück zusammen noch einen trinken und dabei besprechen, wie es weitergehen soll.«
    Er nickte mir nur zu, und ich verließ ihn.
    Vor der Tür Nummer elf blieb ich stehen. Ich hörte Gelächter, klopfte an und ging hinein, ohne eine Aufforderung dazu abzuwarten.
    Der Raum mochte etwa fünf Meter lang und drei Meter breit sein. Die Wände aus roh gehobeltem Holz waren über und über mit Fotos beklebt. Links an der Wand waren zwei große Waschbecken, darüber Spiegel. Zwischen den Becken stand ein dreigeteilter Spiegel, der vom Boden bis zur Decke reichte.
    An einem der Waschbecken stand der weißblonde Frank Hays und fuhr sich mit einem elektrischen Rasierapparat übers Kinn. Glen Morgan rieb sich gerade das Gesicht mit Schminke ein, um seine blasse Haut dunkler zu färben. Ein dritter junger Mann, vermutlich Eddie Cooper, hockte mit angezogenen Beinen auf dem einzigen bequemen Sessel. Er trug ein weißes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln und Blue jeans . Seine Füße steckten in Tennisschuhen. In dieser Kleidung mußte er seine Rolle spielen.
    »Ich störe hoffentlich nicht?« fragte ich.
    »Mich nicht«, sagte Frank Hays und strich mit den Fingern über sein Kinn. Glen Morgan tat, als habe er mich überhaupt nicht bemerkt, und der Junge auf dem Lehnstuhl musterte mich mit gerunzelter Stirn.
    »Ich heiße Tonio Powell«, sagte ich zu ihm, »und ich möchte nachher ein paar Aufnahmen machen. Hoffentlich haben Sie nichts dagegen?«
    »Mir wurscht«, sagte er. »Aber Sie müssen die Genehmigung vom Inspizienten haben, sonst schmeißt er Sie raus.«
    Ich begegnete dem Blick von Frank Hays, der mich durch den großen Spiegel beobachtete. Er drehte sich um und sagte:
    »Er will einen Artikel im >Hollywood Magazin< über Murchison starten. Er will schreiben, daß man Murchison während dieser Szene tatsächlich umbringen könnte. Das war doch deine Idee, Eddie, nicht?«
    Nun lachte der junge Mann, ein hübscher Bengel mit glänzenden schwarzen Haaren und einem angenehmen, glatten Gesicht.
    »Ja«, sagte er grinsend, »das ist eigentlich meine Erfindung. Was zahlen Sie denn dafür, wenn ich sie Ihnen abtrete?«
    »Über das Honorar ließe sich reden«, meinte ich.
    »Gut, Mister Powell«, nickte er. »Das können wir ja nach der Vorstellung in der Kantine aushandeln. Aber gnade Ihnen Gott, wenn
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