Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der versoffene Papagei

Der versoffene Papagei

Titel: Der versoffene Papagei
Autoren: Alexander Borell
Vom Netzwerk:
gab ihr eine Paranuß , die sie bedächtig in ihren dicken Schnabel nahm. Dann sagte sie:
    »Lieber Wissskiii !«
    Das konnte ich ihr nachfühlen. Sie bekam ihren Schluck Whisky, ich bekam meinen, und dann machte ich mich schön, um Arthur C. Murchison zu besuchen.
    Ich weiß nicht, ob er einer der besten Filmschauspieler in Hollywood war, wie manche Leute behaupteten. Fest stand jedoch, daß ich keinen häßlicheren Burschen kannte. Er war ein dicker, dunkelhaariger Kerl, etwa fünfzig, mit einem Krötengesicht, und sein Aussehen ließ ihn Gangsterchefs ebenso glaubhaft darstellen wie Polizeikommissare. Sein Alkoholverbrauch sei beachtlich, hörte man allgemein, und im Rausch würde er ausfällig.
    Er war nicht verheiratet, war aber auch nie allein. Wenn es eines Beweises bedurft hätte, daß vielen hübschen Mädchen eine Freundschaft mit einem unappetitlichen, häßlichen Kerl nichts ausmacht, sofern er nur genügend Geld besitzt, dann hätte man diesen Beweis mit Murchison und seinen Girls liefern können.
    Ich war fertig angezogen und wollte mich gerade leise verdrücken, um Tante Elenas Neugier nicht zu wecken, und ich hatte eben die Türe halb geöffnet, als Miss Simpson ein Geheul ausstieß, das mir durch Mark und Bein ging.
    »Huch! Oh! — Oh! — Huch! Huch! Oh!«
    Sofort kam Tante Elena, die dieses Signal natürlich kannte, aus ihrem Zimmer geschossen.
    Sie war nicht ganz so breit wie hoch, aber viel fehlte nicht daran.
    »Tonio!« sagte sie. »Ich glaube, du gehst schon wieder fort?«
    »Ja, Tante. Ich habe einen Auftrag.«
    Sie rollte ihre schwarzen, lebhaften Augen und stemmte ihre runden Arme in die Gegend, wo andere Frauen eine Taille haben.
    »Na so was!« rief sie. »Du hast in letzter Zeit so viele Aufträge, aber nie sehe ich einen Dollar. Und dann in diesem Anzug! Um einen Verbrecher zu fangen, brauchst du doch nicht deinen guten Flanellanzug anzuziehen!«
    Ich erklärte ihr geduldig, daß ich heute nicht beabsichtigte, einen Verbrecher zu fangen. Vielmehr würde ich den berühmten Filmschauspieler Arthur C. Murchison besuchen, und dort könnte ich unmöglich in Blue jeans aufkreuzen.
    Sie ließ mich ausreden, und dann sagte sie:
    »Dein seliger Vater, mein lieber Tonio, hat auch gelogen, aber er konnte es besser als du. Wenn das so weitergeht, werde ich mit Mister Bray sprechen. Er soll seine Tochter in ein Pensionat schicken. Solange sie hier herumläuft, ist sie eine Gefahr für dem Geschäft. Wirst du wenigstens zum Abendessen hier sein?«
    »Sicherlich«, versprach ich.
    »Ich werde Pasta asciutta machen«, verkündete sie.
    »Ausgezeichnet«, sagte ich. »Wir haben seit vorgestern keine mehr gegessen.«
    »Tonio! Machst du dich über mich lustig?«
    »Keine Spur, Tante Elena.«
    »Dein Vater hätte keine Amerikanerin heiraten sollen, ich habe ihn immer davor gewarnt. Du bist ein hartherziger Bursche geworden, Tonio!«
    »Aber nein, Tante Elena«, versicherte ich. »Ich freu’ mich ja auf die Pasta asciutta .«
    »Wirklich?«
    »Ja, wirklich.«
    »Dann ist’s gut«, sagte sie und schnaubte einige Male laut durch die Nase. »Dann ist’s gut. Und sag Verna einen schönen Gruß von mir. Sie soll dich mal ein paar Tage in Ruhe lassen, sonst verdienen wir zu wenig Geld.«
    Ich atmete erleichtert auf, als ich in meinem Wagen saß und in Richtung Santa Monica losfuhr.
    Bis zu Arthur C. Murchisons Haus in Santa Monica hatte ich knapp dreißig Meilen durch die Stadt zu fahren. In Los Angeles bedeutete das etwa eine bis anderthalb Stunden Fahrtzeit. Ich tröstete mich aber unterwegs mit dem Gedanken, daß die Spanier, die sich 1780 hier ansiedelten, in der damaligen Wildnis für diese Strecke mindestens anderthalb bis zwei Tage gebraucht hatten.
    Arthur C. Murchison war nicht durch den Film groß geworden; er hatte sich seinen Namen schon vorher auf der Bühne gemacht. Zur Zeit filmte er auch nicht, sondern trat jeden Abend in Pasadena auf. Das Stück war ein guter Kriminalreißer, und Arthur C. Murchison war noch besser; ich hatte ihn schon zweimal in dieser Rolle gesehen.
    Sein Besitz befand sich in den Pacific Palisades , die sich auf einer Anhöhe über der Küste ausbreiten. Er grenzte an die riesige Ranch, die einmal Will Rogers gehört hatte.
    Murchisons Haus lehnte sich vor einem kleinen, künstlich bewässerten Pinienwäldchen an einen Südhang. Der Architekt, der es gebaut hatte, mußte dabei an ein abgestürztes Verkehrsflugzeug gedacht haben; jedenfalls erweckte das exzentrische
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher