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Der verlorene Freund: Roman (German Edition)

Der verlorene Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der verlorene Freund: Roman (German Edition)
Autoren: Carlos María Domínguez
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Leute ausder Gegend mit Baskenmütze oder Hüten samt Hutband, wie die Jungen, die ich am Nachmittag gesehen hatte, ohne zu ahnen, dass sie die Vorboten einer ganzen Armee waren, herausgeputzt bis zur Stiefelschnalle, nachdem sie den Tag über in Ställen und Schuppen geschwitzt hatten. Womöglich lüge ich nicht, wenn ich sage, dass mir diese seligen Herdentiere mehr Bewunderung als Neid entlockten. Von nahem rochen sie nach Kölnischwasser, nach Seife, rochen scharf nach der Lust auf Frauen, die im Dorf bestimmt rar waren. Ich bahnte mir einen Weg, überquerte die Straße, und als ich auf das Hotel zuging, war mir, als stünde da der Kommissar vor der Tür und redete mit jemandem. Natürlich war es Santana, er lächelte mich an, unterbrach jedoch nicht sein Gespräch mit einem schnurrbärtigen Knirps, und als ich die Rezeption betrat, saß dort Beppo dem Inhaber gegenüber auf einem Sack Portlandzement.
    »Na, kommen Sie«, sagte Beppo und stand auf. »Menschenskind, wir dachten schon, Sie wären allein zum Essen gegangen.«
    Der Inhaber reichte mir eine kleine Flasche Bier, und schon lauschten wir Beppos Bericht von einem Mord in der Stadt Treinta y Tres, den der Kommissar, nachdem er sein Gespräch mit dem Mann beendet hatte, immer wieder korrigierte. Den Mörder habe man nicht »Negro« genannt, sondern »Bayano«, er habe seinen Schwiegervater nicht mit einer 45er umgebracht, sondern mit einer langen 38er, und derTote habe nicht die Tochter missbraucht, sondern die Enkelin. Was der Richter da erzähle? Womöglich war der Alkohol schuld oder die Geschichte nur ein Vorwand, um wieder mit Santana zu streiten. Vielleicht wollte er auch bloß sehen, wie sich Ademar – so nannte er den Mann, bei dem ich wohnte – mir gegenüber verhielt, und da der nur Gleichgültigkeit zeigte, erzählte er nun von Gabinos Schwester, die zweimal mit Perico Silvestre liiert gewesen war.
    »Roláns Sohn?«, unterbrach ihn Santana.
    »Der Neffe«, sagte Beppo, glücklich, eine alte Geschichte zu erzählen, die er ihm nicht zurechtstutzen konnte. »Perico war der Enkel des Gauchos, der im Dorf um Hilfe bat, als hier noch niemand etwas vom Gold wusste. Das hat mir mein Großvater erzählt, der einer von denen war, die ihn auf der Straße aufgelesen haben. Geblutet hat er, der Mann, und die Knochen hatten sie ihm gebrochen. Drei brasilianische Banditen hatten ihn in der Nacht überfallen, ihn verprügelt und Geld, Pferd und Sattelzeug mitgenommen, aber als die Leute zu seiner Ranch kamen, fanden sie alles durchwühlt, die Nuggets jedoch über den Boden verstreut, denn keiner der drei Schläger war auf den Gedanken gekommen, dass diese Körnchen, auf denen sie ausrutschten, Gold waren.«
    »Das erzählen Sie mal in der Märchenstunde«, beschwerte sich Ademar.
    »Und woher willst du wissen, dass die Banditen darauf ausgerutscht sind?«, stichelte der Kommissar.
    »Es war, wie ich gesagt habe. Der Mann hatte in Bächen danach geschürft und sie, wie er sagte, in ein Glas gesteckt, das hatten sie in der Eile umgestoßen und sind über die Körner hinweggetrampelt, dann machte das Gerücht die Runde, und die Geschichte nahm ihren Lauf. Perico selbst hat eine Zeitlang in den Bergen geschürft, und Lidia ist ihm mit den Kindern weggelaufen, zur kleinen Ranch von Gabino, der sich nie fürs Gold interessiert hat.«
    »Gabino hatte eine Frau«, unterbrach ihn Santana.
    »Und die hat ihm der Jüngste von den Sorias umgebracht, mit einem Lastwagen voll Kohle, schwanger war sie da. Wäre Lidia nicht gewesen, der Dreck hätte Gabino aufgefressen. Mein Lebtag habe ich keinen traurigeren Mann gesehen. Klein, wie er war, und halb wahnsinnig, denn er hörte, wie er sagte, die Stimmen von Frau und Kind aus dem Jenseits. Die Frau hatte mit dem Rücken zur Straße Bergarnika am Wiesenrand gepflückt, beim Lastwagen hat sich die Lore gelöst und sie zerquetscht. Von dem Schlag hat der Mann sich nie mehr erholt. Als Lidia zu Perico zurückging, wurde Gabino Wanderprediger und zog mit einer Bibel, einer Stute und einem Hut aus Eselsfell übers Land und predigte das Wort des Herrn. Ich erinnere mich, dass ich ihn als Kind gesehen habe, mit diesem Hut, mit dem er wie ein Pilz aussah, klein, wie er war, und die Stute beladen mit religiösen Broschüren und Flaschen voll Zuckerrohrschnaps, den er aus Brasilien herüberbrachte.«
    »Er predigte und verkaufte Zuckerfusel?«, unterbrach ihn Santana.
    »Aber ja«, entgegnete Beppo, »von etwas musste er ja leben. Was
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