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Der verflixte Bahnhofsbau

Der verflixte Bahnhofsbau

Titel: Der verflixte Bahnhofsbau
Autoren: Werner Schrader
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Trug,
kann euch kein Leid geschehen.
 
Seht meinen Säbel, blitzeblank,
der ist fast wie mein Bein so lang
und schärfer als ein Messer.
Der schneidet in das Hinterteil
dem frechsten Räuber einen Keil,
dann läuft er noch viel besser.
     
    Nun hat er sein Lied beendet, reibt sich den Schnurrbart und fuchtelt mit seinem Säbel in der Luft herum. Henner Blau aber beginnt laut und grölend zu lachen, und er schüttelt sich so sehr dabei, daß von seinem bunten Hemd der letzte Knopf abspringt und es nun nur noch von einer großen Sicherheitsnadel zusammengehalten wird. Endlich hat er sich beruhigt, läßt seine Pistole funkeln und schmettert dem Polizisten sein neuestes Lied entgegen:
     
Wer schleicht dort in der Stadt herum?
Das ist der Schutzmann, dick und dumm,
auf seinen krummen Beinen.
Sieht er mal einen Räubersmann,
dann fängt er gleich zu zittern an
und fürchterlich zu weinen.
 
Der Säbel rasselt kreuz und quer
vor seinem dicken Bauche her,
aus rostigaltem Eisen.
Du armer Fettwanst, fall nur nicht,
sonst werden dir noch im Gesicht
die Speckfalten entgleisen.
     
    Wieder lacht Henner Blau, diesmal, weil ihm sein Lied so gut gelungen ist. Aber es dauert nicht lange, da läßt Tatta Knobel seinen Polizistenbaß erdröhnen:
     
Der Mond geht auf, die Nacht bricht an,
da schleicht der Henner Blau heran,
auf Strümpfen, ohne Schuhe.
Er sucht, weil er so hungrig ist,
nach Abfall, pfui, in jedem Mist
 und findet keine Ruhe.
 
Vor Schwäche fällt er beinah um,
selbst die Pistole ist schon krumm,
wie will er damit schießen?!
Ach, Leute, schenkt dem armen Mann
'nen Knochen mit noch etwas dran
und helft ihm Kugeln gießen!
     
    Nun lacht Tatta Knobel, wie vorhin Henner Blau gelacht hat. Er hat Grund dazu, denn sein Lied ist nicht schlechter als das des Räubers. Und weil dem im Augenblick nichts mehr einfällt, stampft er mit dem Fuß auf, wendet sich um und geht wortlos und gebeugt die Bahnhofs Straße entlang ins Kleine T und von dort durch einen Heckenweg in den Brakenwald. Er gibt damit den Kampf auf, hat ihn also verloren. Tatta Knobel aber, der heutige Sieger, singt seinen schönen Vers noch einmal und kehrt dann beim dicken Fidi ein, um seinen schwer errungenen Sieg mit den klugen Männern zusammen zu begießen. Er hält eine große Rede von seiner Klugheit und Henner Blaus Dummheit und läßt sich feiern.
    MenkoTrüdel, der zugezogen ist und den Kampf zum erstenmal miterlebt, betrachtet ihn von Kopf bis Fuß und sucht nach einem Loch in der Uniform, das der Räuber mit seiner Pistole hineingeschossen hätte. Er findet aber keins. Tatta ist noch ganz. Menko ist ein bißchen enttäuscht.
    „Ist Henner Blau denn wenigstens verwundet?“ fragt er.
    „Und wie!“ antwortet Tatta. „Der braucht jetzt viel Ruhe, um sich erholen zu können.“
    „Hat er sehr geblutet?“ fragt Menko aufgeregt.
    Tatta Knobel schüttelt den Kopf.
    „Bei meinen Hieben blutet nicht der Körper, sondern die Seele“, sagt er, „und das kann man nicht sehen.“
    Die andern klugen Männer nicken. Sie erheben ihre Gläser und trinken dem phantasievollen Stadtpolizisten zu.
     

DAS DRITTE KAPITEL
     

Wo nimmt man bloß, ei, das ist schwer,
    den Bauplatz für den Bahnhof her?
     
    Die Nacht ist vorbei. Über den Dächern der Häuser im Großen T sind schon die ersten Sonnenstrahlen zu sehen. Bei Bodenluks wird soeben die Backstubentür geöffnet. Ein köstlicher Geruch von frischem Backwerk strömt auf die Straße. Jan Mertens trägt die Brötchen aus.
    Auch beim „Dicken Fidi“ regt es sich. Frau Fidi schließt die Tür auf. Die Luft, die da ins Freie drängt, ist weniger angenehm.
    Allmählich wird es in der ganzen Stadt lebendig. Überall werden Fenster geöffnet und Rollos hochgezogen. Die Hausfrauen holen im Morgenrock die Brötchen herein, die Jan Mertens vor ihre Tür gelegt hat, und die Männer rasieren sich. Gleich werden sie ihre Fahrräder besteigen und nach Mückental in die Schokoladenfabrik fahren. Da arbeiten nämlich die meisten von ihnen. In einer halben Stunde werden auch die Schulkinder auf der Straße sein. Dann wird es sehr laut in der Stadt. Aber nicht für lange! Wenn sie erst in der Schule sind, wird es bald wieder still. Herr Lubesam kann nämlich vortrefflich mit den kleinen Schreihälsen umgehen.
    Gegen Mittag trägt Schlächtermeister Brating ein großes, weißes Plakat durch alle Straßen der Stadt, auf dem in schwarzen Buchstaben geschrieben steht:
     
Wir ertragen alles Schwere
für die Ehre, für
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