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Der verflixte Bahnhofsbau

Der verflixte Bahnhofsbau

Titel: Der verflixte Bahnhofsbau
Autoren: Werner Schrader
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Noch kann er den Polizisten nirgends erblicken. Das Großmaul hat sich wieder verspätet, denkt er, und so was ist Beamter!
    Da ist plötzlich am Bahnhof ein leises Bewegen. Irgend jemand huscht hin und her. Er lädt Steine auf eine Schiebkarre. Vorsichtig wie eine Katze vermeidet er jedes Geräusch. Niemand kann ihn erkennen, denn der Bauplatz ist unbeleuchtet. So arbeitet ein Dieb!
    Nach wenigen Minuten ist die Karre voll, und der Unbekannte fährt mit den gestohlenen Steinen über den Mückentaler Heerweg und hinter den Bäumen entlang um die Stadt herum. Bald hat ihn die Nacht verschluckt.
    Nun taucht auch Tatta Knobel im Großen T auf. Er wischt sich den Schweiß von der Stirn und sieht aus, als ob er schwer gearbeitet hätte. Müde lehnt er sich an den Brunnen und singt sein Kampflied, aber mit den Gedanken scheint er gar nicht dabeizusein.

    Es ist daher kein Wunder, daß Henner Blau ihn in Grund und Boden singt und der Polizist beschämt und mit durchlöcherter Seele nach Hause gehen muß.
    Mehrere Tage vergehen. Die Mauern des Bahnhofs wachsen, und der Steinevorrat schmilzt zusammen. Der Dieb kommt jede Nacht. Und nicht nur Steine stiehlt er, sondern auch Zement und schönen weißen Sand. Bisher hat Maurermeister Wuttig noch nichts gemerkt. Aber heute steht er vor dem Rest der Steine und spricht aufgebracht mit seinen Gesellen. Er ist sehr wütend. Der eine Geselle übrigens auch, denn er wirft mit einemmal dem Meister die Maurerkelle vor die Füße und läuft in die Baubude. Dort zieht er seine Jacke an, kommt dann wieder heraus, droht Herrn Wuttig mit der Faust, steigt auf sein Fahrrad, das an der Bude lehnt, und fährt nach Mückental, wo er zu Hause ist.
    Auch Meister Wuttig verläßt den Bauplatz. Mit festem Schritt marschiert er den Mückentaler Heerweg entlang und biegt in die Schulstraße ein. Er läuft fast über vor Wut. Sein Gesicht ist rot wie eine Tomate. Mit so viel Wut könnte er manches Unheil anrichten. Er könnte zum Beispiel den Eiswagen von Frau Nasenblum umstoßen, die soeben aus der Bahnhofstraße kommt und seinen Weg kreuzt. Aber er tut es nicht. Er läßt sie einfach weitergehen und ihre helle Glocke läuten.
    Bestimmt aber wird er jetzt den schweren Stein aufnehmen, der keine drei Schritte entfernt vor ihm auf der Straße liegt, und dem Neptun im Brunnen ein Stück von seiner großen Gabel abwerfen. Aber nein, nicht mal das tut er! Statt dessen stapft er mit all seiner Wut in das Haus des Bürgermeisters.
    Mittlerweile mauern die Gesellen am Bahnhof munter weiter. So fleißig wie heute waren sie noch nie. Sie vermuten, daß sie im Laufe des Tages noch allerlei Besuch kriegen. Vor der Tür seines Hauses erscheint nun der Bürgermeister. Herr Wuttig folgt ihm. Sie sprechen über den Steinediebstahl. Beide halten Henner Blau für den Dieb, auch Meister Wuttig, obwohl er doch erst einen seiner Gesellen im Verdacht hatte. Der Räuber aus dem Brakenwald hat nach ihrer Meinung die Steine, den Zement und auch den schönen weißen Sand gestöhlen. Und jetzt werden die beiden etwas gegen ihn unternehmen.
    Sie gehen zu Tatta Knobel, um ihn zu beauftragen, den gemeinsten aller Diebe zu verhaften. Der phantasiebegabte Stadtpolizist verläßt gerade das Geschäft von Kaufmann Knöter, wo er sich ein Päckchen
    Rasierklingen gekauft hat. Als er den Bürgermeister sieht, läßt er seine Ware rasch in der Diensthosentasche verschwinden und setzt sein Amtsgesicht auf. Da sind die beiden heran.
    Maurermeister Wuttig erzählt in wenigen Sätzen, die er mit heftigen Handbewegungen begleitet, was am Bahnhof vorgefallen ist. Er teilt dem Polizisten auch mit, daß er anfangs einen Gesellen aus Mückental in Verdacht gehabt habe und daß der nach Hause gefahren sei.
    Tatta Knobel hört sich alles ruhig an. Dann fordert er den erregten Meister auf, ihm zum Tatort zu folgen. Er ist ein gründlicher Mann und möchte sich persönlich von dem Stand der Dinge überzeugen.
    Ei, wie die Gesellen arbeiten! Sie scheinen gar nicht zu merken, daß der Bürgermeister und Tatta Knobel hinter ihnen stehen und alles aufmerksam betrachten. Fast sämtliche Steine haben sie vermauert. Wenn sie öfter in dem Tempo gearbeitet hätten, könnte heute schon Richtfest sein.
    Tatta nimmt einen Stein in die Hand und untersucht ihn auf Fingerabdrücke. Es sind aber keine dran, jedenfalls keine von dem Dieb. Nach einem weiteren prüfenden Blick über die fürchterliche Unordnung, die auf dem Bauplatz herrscht, sagt er: „Das ist
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