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Der verflixte Bahnhofsbau

Der verflixte Bahnhofsbau

Titel: Der verflixte Bahnhofsbau
Autoren: Werner Schrader
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schon eingenommen. Sie trinken und machen neugierige Gesichter. Der kleine Fidi blickt verstohlen durch die Tür des Nebenzimmers. Er hat zum erstenmal ein schlechtes Gewissen.
    Nun steht der Bürgermeister auf.
    „Meine lieben klugen Männer“, sagt er, „bevor der Feuerwehrhauptmann das Wort ergreift, möchte ich etwas erklären. Ich habe die Vorwürfe, die er gegen mich erhoben hat, durchdacht und festgestellt, daß sie zu Recht gemacht wurden. Ich bekenne, an dem schlechten Zustand der Hasenkrüger Feuerwehr schuld zu sein.“
    Die Männer sehen sich an und staunen.
    „Wenn das Spritzenhaus nicht in Ordnung ist, können die Geräte nicht in Ordnung sein, damit hat der Hauptmann ganz recht. Und darum muß das schnellstens geändert werden. Ich weiß auch schon, wie das zu machen wäre, ohne daß es uns einen Pfennig kostet. Vor einigen Monaten haben wir uns hier versammelt und den Bau eines Bahnhofs beschlossen, weil uns jemand in einem Brief ausgelacht hatte. Der Bahnhof ist fast fertig, aber es ist ein sehr kleiner Bahnhof geworden.“
    „Ohne Züge!“ wirft der kleine Fidi von der Tür her ein.
    Der Bürgermeister ist gar nicht böse über den Zwischenruf. Er nickt und sagt: „Ganz recht, mein Junge, ohne Züge.“
    „Und in der Bahnhof Straße steht er auch nicht!“ ruft der kleine Fidi, der sich schon wieder sicher fühlt.
    Der Bürgermeister ist heute abend gar nicht mehr wütend über den Bengel.
    „Sehr richtig“, sagt er, „die Bahnhofstraße hat also immer noch einen falschen Namen. Mit anderen Worten, wir haben nichts erreicht. Darum schlage ich vor, wir geben der Bahnhofstraße einen neuen Namen und machen aus dem Bahnhof ein Spritzenhaus!“
    So, jetzt ist es heraus.
    Der Bürgermeister setzt sich, trinkt seinen Schnaps und sieht seine klugen Männer fragend an.
    Die machen erstaunte Gesichter, denn damit haben sie nicht gerechnet. Aber sie haben eigentlich auch nichts dagegen. Sie nippen an ihrem Bier und denken nach. Hat der Bürgermeister da nicht wirklich einen guten Vorschlag gemacht? Er, dem doch sonst nichts Gescheites einfiel, ist über Nacht klug geworden.
    Jetzt steht der Feuerwehrhauptmann auf. Er ist kreidebleich.
    „Herr Bürgermeister“, stammelt er, „wenn ich das gewußt hätte!“ Vor Aufregung stößt er das Bierglas von Jokel Vossen um, so daß das Bier schäumend über den Tisch und auf den Fußboden fließt.
    „Wenn ich das gewußt hätte! Ich wollte nämlich selber das Spritzenhaus erneuern... und weil ich dazu Steine brauchte... habe ich... vom Bahnhof... mit der Schiebkarre...“
    Mehr kriegt er nicht heraus. Aber das genügt auch. Alle haben verstanden. Sie sehen den Feuerwehrhauptmann an. Merkwürdig, sie, die doch so wütend waren auf den Dieb, sind gar nicht böse. Sie sind vielmehr betroffen. Denn der Feuerwehrhauptmann ist ja für sie zum Dieb geworden. Er hat nicht gestohlen, weil er sich bereichern wollte, sondern um seine Geräte besser in Ordnung halten zu können, die er zu ihrem Schutze aufbewahrt.
    Frau Nasenblum findet als erster die Sprache wieder: „Dann ist ja alles in Ordnung“, sagt sie. „Jetzt haben wir ein Spritzenhaus. Das einzige, was noch fehlt, ist ein neuer Name für die Bahnhofstraße!“
    Die Männer tun das, was sie immer tun, wenn sie nachdenken, sie trinken. Schließlich sagt Jan Bodenluk: „Wir haben einem Mann großes Unrecht getan. Dabei hat er für uns sein Leben gewagt und liegt noch krank darnieder. Wie wäre es, wenn wir die Bahnhofstraße Henner=Blau=Straße nennten?“
    Die Männer denken noch weiter nach und trinken noch mehr. Dann bittet der Bürgermeister alle, die dem Vorschlag des Bäckermeisters zustimmen möchten, die rechte Hand zu heben. Aller Hände fliegen nach oben.
    „Es gilt“, sagt da der Bürgermeister feierlich, „die Bahnhofstraße heißt ab sofort Henner=Blau=Straße.“
    Das ist ein Grund zum Feiern. Die Männer trinken, und der dicke Fidi läuft. Nur der Feuerwehrhauptmann ist nicht recht froh. Er hat nämlich ein schlechtes Gewissen, weil er es geduldet hat, daß Henner Blau seinetwegen so lange verdächtigt worden war. Und das Gewissen zwingt ihn jetzt, aufzustehen und an sein Glas zu klopfen.
    „Meine lieben klugen Männer“, sagt er mit belegter Stimme, „meinetwegen ist Henner Blau großes Unrecht geschehen. Ich möchte das gern wieder gutmachen und bitte um Ihre Zustimmung. Ich möchte ihm im Wald ein festes Haus bauen, und zwar von den Steinen, die er selber vom Spukhaus abgebrochen
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