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Der verflixte Bahnhofsbau

Der verflixte Bahnhofsbau

Titel: Der verflixte Bahnhofsbau
Autoren: Werner Schrader
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mühsam beherrscht sagt der Bürgermeister die Tagesordnung an, die nur einen Punkt hat, nämlich das jämmerliche Versagen der Hasenkrüger Feuerwehr bei dem Großbrand des Kaufmanns Knöter. Dann aber legt er los.
    „Es ist eine unglaubliche Schweinerei“, brüllt er, „daß unsere Feuerwehr in einem so schlechten Zustand ist. Ganz Hasenkrug lacht über uns. Wie können Sie, Feuerwehrhauptmann, Ihr Spritzenhaus und die Geräte so verkommen lassen! Sie haben Ihren Dienst sehr schlecht versehen, und ich sollte Sie absetzen. Schämen Sie sich nicht, daß ein Räuber, der im Spritzenhaus gefangengehalten wird, durch die Mauern geht, als seien sie von Pappe? Schämen Sie sich zweitens nicht, daß dieser Räuber mit einem Gartenschlauch die Löscharbeiten beginnt und es fertigbringt, mit Hilfe ordentlicher Bürger den Brand zu lösehen, wozu Sie mit Ihren elenden Geräten nicht in der Lage waren? Und schämen Sie sich drittens nicht, daß dieser Räuber als einziger den Mut hat, in das brennende Haus einzudringen und die gefährdeten Kinder zu retten? Ja, und zum Teufel noch mal, schämen Sie sich endlich nicht, daß dieser unerschrockene Kerl sich in Ihrem verfaulten Sprungtuch fast den Hals bricht?“
    Bei diesen Worten schlägt der Bürgermeister heftig mit der Faust auf den Tisch. Nur so kann er seine Wut loswerden und sich erleichtern.
    Der Feuerwehrhauptmann hört sich die Vorwürfe an wie einer, der sich nicht schuldig fühlt. Ganz ruhig trinkt er sein Glas leer, steht dann auf, räuspert sich, sieht den Bürgermeister tief an und sagt langsam, klar und deutlich: „Herr Bürgermeister, was Sie mir da eben vorgeworfen haben, trifft Sie selbst und nicht mich. Nicht ich bin schuld an dem schlechten Zustand des Spritzenhauses und aller Geräte, sondern Sie!“
    Der Bürgermeister schnappt bei diesen Worten nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen und kann nicht antworten. Der Feuerwehrhauptmann will auch keine Antwort. Ruhig, als gehe ihn die Sache gar nichts an, fährt er fort: „Ich habe immer gesagt, daß wir ein neues Spritzenhaus brauchen, weil das alte baufällig sei. Ich bin mit einem Plakat durch die Stadt gezogen und habe die Hasenkrüger ermahnt, auf den dummen Bahnhof zu verzichten und statt dessen ein Spritzenhaus zu bauen. Alle haben mich ausgelacht, auch Sie, meine Herren. Und Sie nennen sich doch die klugen Männer der Stadt. Wenn das nicht zum Lachen ist! Sie aber, Herr Bürgermeister, haben noch auf dem Fest gesagt, daß es in Hasenkrug schon nicht brennen werde, weil es ja noch nie gebrannt habe. Sie allein sind schuld, daß es mit der Hasenkrüger Feuerwehr so weit gekommen ist. Wenn Sie ehrlich sind und über meine Worte nachdenken, müssen Sie mir recht geben.“
    Nachdem das gesagt ist, nimmt der Feuerwehrhauptmann wieder Platz und bestellt beim dicken Fidi noch ein Glas Bier und einen Magenbitter.
    Die klugen Männer aber schauen den Bürgermeister an, der bleich und ein wenig kleiner geworden ist. Keiner sagt ein Wort. Es ist so still, daß jeder hören kann, wie das Bier in das Glas des Feuerwehrhauptmanns rauscht. Jetzt muß sich zeigen, ob ihr Bürgermeister ein anständiger Kerl oder ein Lügner und Feigling ist.
    In diesem Augenblick, als die Stille für alle peinlich wird, öffnet sich die Tür. Meister Wuttig tritt in das Gastzimmer. Er hat in jeder Hand einen Ziegelstein. Langsam und mit wichtiger Miene geht er an den Tisch der klugen Männer und stellt die beiden Steine vor sie hin, aufrecht, so daß alle sehen können, daß der eine groß ist und der andere klein. Die Männer erkennen das auch sofort, aber sie wissen nicht, was es zu bedeuten hat, und sehen darum den Maurermeister fragend an. Der weidet sich eine Zeitlang an den erstaunten Gesichtern. Dann sagt er: „Henner Blau hat die Steine nicht gestohlen. Die Steine, die hinter seiner Höhle waren, sind viel größer als die vom Bahnhof. Sie sehen es selber.“
    Oh, das bringt Leben unter die Männer!
    „Henner Blau nicht? Wer denn sonst?“ ruft Herr Bodenluk. „Wollen Sie etwa behaupten, daß es in unserer Stadt noch einen gemeinen Dieb gibt?“
    „Genau das will ich!“ sagt Herr Wuttig. „Heutzutage werden nur noch die kleinen Klinker hergestellt. Solche großen wie diesen hier kann man in keiner Ziegelei mehr bekommen. Die kann man bestenfalls irgendwo abbrechen. Sehen Sie sich diesen Stein genau an. Er ist ein solcher Abbruchstein, der schon mal vermauert war. Obwohl der Mörtel sauber abgeklopft wurde, kann man
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