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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten
Autoren: Ami McKay
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drin?«
    Â»Mandelöl«, flüsterte er, als verriete er ihr ein großes Geheimnis. »Und Ringelblume und Bienenwachs. Die Mischung der Ingredienzien war eine gewisse Herausforderung, aber das Ergebnis überzeugt, finden Sie nicht?«
    Â»Oh ja.« Dr. Sadie bestaunte das Gefäß und stellte es wieder auf die Theke.
    Mr. Hetherington schob es zurück. »Das ist für Sie.«
    Â»Das kann ich nicht annehmen.« Dr. Sadie schüttelte den Kopf.
    Â»Ich bestehe darauf«, erwiderte Mr. Hetherington. »Immerhin waren Sie meine Muse.«
    Sie schloss die Augen, ihr Gesicht glühte. Genauso hatte Mama ausgesehen, wenn sie daran dachte, wie mein Vater sie meinem Großvater vom Rücken eines Pferdes gestohlen hatte.
    Kaum hatten wir die Apotheke verlassen, fragte ich: »Warum können Sie nicht mit ihm zusammen sein?«
    Â»Mit wem?«, erwiderte sie.
    Â»Mr. Hetherington. Es ist doch unübersehbar, dass er der Mann ist, den Sie lieben.«
    Sie versuchte gar nicht, es zu leugnen. Sie blieb unter dem Vordach stehen, schaute in den Himmel, in die ersten, vereinzelten Schneeflocken, und sagte: »Mr. Hetherington hat eine Frau.«
    Â»Oh.«
    Sie erzählte mir dann, dass Mrs. Hetherington schon seit Langem an der Schwindsucht litt. Dr. Sadie hatte alles versucht, doch es war ein schwerer Fall, und die Kranke siechte mit jedem Tag mehr dahin. Anfangs hatten sie und der Apotheker viel Zeit bei der gemeinsamen Suche nach einer Linderung für seine Frau verbracht, doch als die Wochen vergingen und sich die Krankheit verschlimmerte, hatte es Dr. Sadie zunehmend gelockt, auch den Kummer des Ehemanns zu kurieren. Es war ein fortwährendes Ringen, für sie und für Mr. Hetherington.
    Â»Da kann man nichts tun … für keinen von uns«, sagte sie.
    Â»Aber wenn Mrs. Hetherington erst einmal tot ist …«
    Â»Pscht, Moth, das reicht.«
    Während wir warteten, um sicher die Straße zu überqueren, fuhr Dr. Sadie mit der Stiefelspitze über einen niedrigen Baumstumpf. »Einmal habe ich dem alten Birnbaum, als er noch stand, auch eine Frage gestellt.«
    Â»Dem Birnbaum?« Mein Herz raste.
    Â»Mein Vater begleitete mich, als ich noch Kind war, zu dem Baum«, sagte sie. »Damals führte der nette Mr. Huber die Apotheke, und er ist auch ein Grund, warum ich mich entschieden habe, Ärztin zu werden. Zu der Zeit strömten an jedem ersten Sonntag im Juni die Menschen aus der ganzen Stadt herbei, besonders die alten Holländer, so wie mein Vater, um ihre Wünsche an die Zweige zu hängen. Es ist eine solche Schande, dass er eingegangen ist.«
    In meiner Vorstellung hatte der Baum immer gelebt, er wuchs und gedieh, wurde noch älter und weiser und schenkte jedem, der ihn darum bat, seinen Zauber. Ich hatte gehofft, eines Tages dort zu stehen, wo mein Vater mit Mama gestanden hatte, und dem Baum selbst einige Fragen zu stellen.
    Â»Haben Sie eine Antwort erhalten?«, fragte ich.
    Â»Habe ich«, erwiderte sie. Mehr sagte sie nicht.
    Ich beugte mich über den Stumpf. Vielleicht kam die Stimme des Baums ja noch aus der Erde. Ringsum eilten Menschen vorbei, geschäftig ihren Zielen entgegen.
    Â»Da bin ich«, sagte ich. »Ich bin es, Moth.« Ich wollte so gern, dass dieser schmutzige, angegriffene Stumpf mich wiedererkannte, mich ein zweites Mal willkommen hieß und mir sagte, dass mein Vater irgendwo auf mich wartete.
    Â»Zieh doch zu mir, Moth«, sagte Dr. Sadie und reichte mir die Hand, um mir aufzuhelfen. »Ich mache Platz für dich in meiner Mansarde, und du brauchst keine Sorgen zu haben.«
    Wenn sie, und nicht Mae, mich aus den Fängen von Mr. Cowan errettet hätte, würden wir längst unter einem Dach leben, singend unsere Strümpfe stopfen und uns am Ende eines jeden Tages im Dunkeln Geschichten erzählen. Doch Miss Everett würde mich an meine Verpflichtung erinnern, und ich konnte Dr. Sadie nicht bitten, mich freizukaufen – wie sollte sie die Summe aufbringen? Mir blieb keine Wahl, ich musste Miss Everetts Plänen Folge leisten.
    Â»Ich weiß sehr wohl, dass gut und recht nicht für jeden dasselbe bedeutet«, fuhr Dr. Sadie fort. »Und verglichen mit dem, was ein Mädchen in deiner Lage erleiden kann, wird dir das, was Miss Everett dir bietet, um vieles besser erscheinen. Aber nach allem, was Alice widerfahren ist, musste ich dir das noch einmal sagen, dir meine Hilfe
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