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Der verborgene Stern

Der verborgene Stern

Titel: Der verborgene Stern
Autoren: Nora Roberts
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blutigen Holzboden taumelten wie obszöne Tänzer.
    Ihr Bruder würde noch einmal töten, und sie würde wieder nur danebenstehen und zusehen.
    Sie warf sich nach vorne. Es war eine gedankenlose, instinktive Bewegung. Sie sprang ihm auf den Rücken, riss an seinen Haaren, fluchend, schluchzend. Durch den unerwarteten Ruck taumelte Timothy zurück. Als Bailey ihre Fingernägel in sein Gesicht grub, warf er sie mit einem lauten Schmerzensschrei ab. Mit voller Wucht knallte sie gegen das Treppengeländer, sie spürte den Schmerz, hinter ihren Augen blitzte es, und für einen Moment verengte sich ihr Gesichtsfeld. Aber nur Sekunden später war sie wieder auf den Beinen und stürmte erneut auf den Feind zu.
    Es war Cade, der sie wegriss und damit verhinderte, dass Timothy ihr das Messer direkt in den Bauch rammte. Die beiden Männer begannen wieder zu kämpfen, voll verzweifeltem Hass aufeinander. Schließlich krachten sie gegen einen Tisch und stürzten laut schnaufend zu Boden. Alles, was Cade dachte, war, dass er lange genug durchhalten musste, um Bailey zu beschützen.
    Mit letzter Kraft gelang es ihm, Timothy die Hand, in der er das Messer hielt, so zu verdrehen, dass die Spitze auf seine Brust gerichtet war. Mit vor Anstrengung verzerrtem Gesicht versetzte er dem Messer einen kräftigen Stoß. Er verharrte einen Moment und starrte Timothy in die weit aufgerissenen Augen, bevor er sich völlig erschöpft zur Seite wegrollte.
    Als er sich wenige Augenblicke später halb aufrichtete, erkannte er, dass es vorbei war.
    Bailey kroch auf ihn zu, schluchzte seinen Namen. Er sah ihr Gesicht, die Schramme auf ihrer Wange, und hob kraftlos die Hand.
    „Du hättest die Heldentaten lieber mir überlassen sollen.“ Seine Stimme klang in seinen eigenen Ohren dünn, weit entfernt.
    „Wie schwer bist du verletzt? Mein Gott, du blutest wie verrückt.“ Sie kümmerte sich um seinen vor Schmerz brennenden Arm, während er den Kopf drehte und Salvini ins Gesicht sah. Dessen Blick war auf ihn gerichtet, langsam trübe werdend, aber er war noch immer bei Bewusstsein.
    Cade hustete. „Wer hat dich engagiert, du Bastard?“
    Salvini begann zu lächeln, aus dem Lächeln wurde eine Grimasse. Sein Gesicht war blutig, sein Atem schwach. „Der Teufel“, sagte er schließlich.
    „Dann grüß ihn in der Hölle.“ Cade versuchte, sich wieder auf Bailey zu konzentrieren, die ihn mit zusammengekniffenen Augen verarztete, so gut es eben ging. „Du brauchst für solche Angelegenheiten deine Brille, Liebling.“
    „Still. Lass mich die Blutung stoppen, bevor ich den Notarzt rufe.“
    „Ich sollte jetzt wohl sagen, dass es halb so schlimm ist, aber um ehrlich zu sein: Es tut höllisch weh.“
    „Es tut mir leid. Es tut mir so leid, Cade.“ Am liebsten hätte sie den Kopf an seine Schulter gelegt und geweint, einfach nur hemmungslos geweint. Stattdessen fuhr sie fort, den Stoff, den sie aus seinem Hemd gerissen hatte, fest gegen die unablässig blutende Wunde zu pressen. „Ich rufe gleich den Krankenwagen. Halt noch ein bisschen durch.“
    „Ruf Detective Mick Marshall an. Du musst unbedingt mit ihm sprechen.“
    „Mache ich. Sei still. Ich kümmere mich darum.“
    „ Was in aller Welt ist hier los ?“
    Der Klang der schrillen Stimme ließ ihn zusammenzucken. „Sag mir, dass ich halluziniere“, murmelte er. „Ich flehe dich an, Bailey, sag, dass das nicht meine Mutter ist.“
    „Guter Gott, Cade! Was hast du getan? Ist das etwa alles Blut hier?“
    Seinem Schicksal ergeben, schloss er die Augen. Er hörte, wie Bailey seiner Mutter in entschiedenem Ton auftrug, den Notarzt zu rufen. Und dann fühlte er voller Dankbarkeit, wie er ohnmächtig wurde.
    Im Rettungswagen kam er kurz zu sich. Bailey hielt seine Hand, Regentropfen prasselten laut aufs Dach. Später schob man ihn in der Notaufnahme über einen Flur, wo ihm die grellen Lichter in den Augen brannten. Der Schmerz war wie ein gefräßiges Monster, das ihm das Fleisch von den Knochen riss.
    „Könnte ich vielleicht ein paar Medikamente bekommen?“, fragte er so höflich wie möglich, dann wurde er wieder ohnmächtig. Als er das nächste Mal erwachte, lag er in einem Bett. Er rührte sich nicht, ließ die Augen fest geschlossen, bis er herausgefunden hatte, wie stark die Schmerzen noch waren. Dann sah er auf. Bailey saß auf einem Stuhl und betrachtete ihn. „Hi“, murmelte er. „Ich hatte gehofft, dass du das Erste bist, was ich sehe.“
    Sie stand auf und ergriff seine Hand.
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