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Der Vater des Attentäters (German Edition)

Der Vater des Attentäters (German Edition)

Titel: Der Vater des Attentäters (German Edition)
Autoren: Noah Hawley
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hier, die Jugend Amerikas, die Zukunft, hoch aufgereckt, die Hände in der Luft, ließ sie sich von der Situation mitreißen. Auf der Bühne flammte das Licht auf. Der schwere Sound der E-Gitarren ließ die Balken erzittern. Senator Seagram betrat die Bühne.
    Und obwohl er nicht in die Zukunft sehen konnte, wusste Carter Allen Cash genau, was als Nächstes passieren würde.

 
    Epilog
     
    Der Junge

 
     
    Bonnie Kirkland war kahlköpfig. Chemotherapie, erklärte sie mir. Das Haar sei ihr im letzten Monat ausgefallen, und sie verliere an Gewicht. Ihre Haut wirkte wie Papier und hatte einen gelblichen Stich. Bonnie trug ein blaues Kopftuch, wir saßen in ihrer Küche. Ihr Mann Ted schloss gerade den Laden ab. Es war später Nachmittag, und ich hatte vor einer Viertelstunde erst geläutet. Bonnie war an die Tür gekommen und hatte sich die Hände an einem Geschirrtuch abgewischt. Auf ihren Zustand war ich nicht vorbereitet. Ich sah es gleich, an ihrer Blässe und der Art, wie ihr die Haut am Schädel klebte. Es war ein klarer Tag, ein Tag von der Art, wie man sie im Gras liegend verbringen sollte, den Blick tief in die Wolken versenkt. Ich war am Morgen in Des Moines gelandet und hatte einen zweitürigen Ford gemietet. Der braune Stoff des Beifahrersitzes war zerrissen und geflickt, und trotz des Schildes «Bitte nicht rauchen!» stank der Wagen nach Zigaretten. Ich hatte die Karte auseinandergefaltet, die mir der Angestellte verkauft hatte, und war Richtung Osten gefahren. Der Staat war erstaunlich flach und üppig grün. Kuhweiden und Maisfelder säumten die Interstate.
    Unterwegs rief ich Fran an. Ich sagte ihr, es tue mir so schrecklich leid. Ich hätte sie angelogen. Ich erklärte ihr, wo ich war und was ich getan hatte. Ich sagte ihr, ich wisse, ich sei ein schlechter Ehemann gewesen, ich hätte Geheimnisse vor ihr gehabt, sei egoistisch gewesen, aber jetzt sei ich endlich bereit, die Tatsache zu akzeptieren, dass Daniel schuldig sei. Irgendwo, irgendwie habe er seinen inneren Halt verloren, und niemand sei da gewesen, um ihm zu helfen. Nun sei es zu spät. Ich wisse, dass ich mich damit abfinden müsse, und auch, dass ich ihm ein schlechter Vater gewesen sei. Aber jetzt hätte ich eine neue Familie, eine Frau, die ich liebte, und zwei wunderbare Söhne und würde den gleichen Fehler nicht noch einmal begehen.
    Ich sagte ihr, ich käme nach Hause, und dass ich vorher nur noch eines tun müsse, dann sei es damit vorbei. Ich käme zu ihnen zurück und würde die Art Ehemann und Vater sein, die sie verdienten.
    Als ich fertig war, sagte sie lange, lange nichts. Ich stand auf dem Parkplatz einer Tankstelle und sah, wie der Wind über ein Maisfeld strich. Es war genau Mittag. Ich war ein Mann, der nichts anderes wollte als seine Fehler wiedergutmachen, der reparieren wollte, was er zerstört hatte – und der lernen musste, mit dem zu leben, was sich nicht mehr reparieren ließ.
    Und dann, nach einem schier endlosen Schweigen sagte sie ein einziges Wort: «Okay.»
    In dem Moment wusste ich, dass wir es zusammen schaffen würden. «Ich liebe dich», sagte ich.
    «Ja», sagte sie. «Ich weiß. Wir lieben dich auch. Komm bald nach Hause.»
    Ich stieg wieder in meinen Mietwagen und ließ den Motor an. Der DJ im Radio verkündete: «Der nächste Song ist für all diejenigen, die schon einmal jemanden vermisst haben.»
    Er spielte Gimme Shelter von den Rolling Stones. Ich kurbelte die Fenster herunter und ließ mich von der warmen Luft umwehen.
    Die Kirklands wohnten in der Lackender Avenue, am Ende einer langen, kiesbestreuten Einfahrt. Ich stieg aus dem Ford hinaus in die Mittagssonne und spürte meinen Rücken nach der stundenlangen Fahrt. Nach meiner Nacht auf dem Flughafen hätte ich eigentlich Bewegung und ein paar Dehnübungen gebraucht, aber ich ging zum Haus hinüber und stieg die knarzenden hölzernen Eingangsstufen hinauf. Und dann stand Bonnie Kirkland mit ihrem blauen Kopftuch vor mir. Ich erklärte ihr, wer ich sei, der Vater des jungen Kerls, der drei Monate über ihrer Garage gelebt habe. Sie antwortete, das sehe sie auf den ersten Blick.
    «Sie haben sein Gesicht», sagte sie und bat mich herein.
    Wir setzten uns an einen kleinen hölzernen Tisch zwischen zwei Türen und tranken süßen Tee. Über uns drehte sich träge ein großer Deckenventilator. Der Himmel draußen leuchtete kornblumenblau, die Küchenfenster waren offen, und eine leichte Brise wehte durch die Fliegengitter herein. Ich trug immer
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