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Der Vater des Attentäters (German Edition)

Der Vater des Attentäters (German Edition)

Titel: Der Vater des Attentäters (German Edition)
Autoren: Noah Hawley
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verlorenen Haare, die den Betroffenen so fremdartig machen, sondern die ausgefallenen Wimpern und Brauen. Ohne diese Markierungen bekommt das Gesicht etwas nicht mehr direkt Menschliches. Vor allem Frauen malen sich deshalb mit einem Make-up-Stift Brauen auf, aber Bonnie hatte nichts dergleichen getan. Sie war ein Mensch, der seine Eitelkeit aufgegeben und den Weg akzeptiert hatte, den sein Leben nahm.
    «Danke», sagte ich. «Seit langem schon hat niemand mehr etwas Nettes über meinen Sohn gesagt.»
    Sie rührte in ihrem Tee. «Cora hat Schuldgefühle, weil Daniel hier war», sagte sie. «Sie meint, sie hätte uns ihm ausgesetzt , als wäre er eine Art Grippevirus gewesen.»
    «Hat er wirklich eines Tages einfach so vor der Tür gestanden?»
    Bonnie nickte. «Wir dachten, er hat sich verfahren, er kommt aus der Stadt und will wissen, wie er nach Hause findet. Aber er erklärte Ted, er suche einen Job, und dann hat er erzählt, dass er Cora kenne. Im Nachhinein war es vielleicht nicht so klug, ihn bei uns aufzunehmen, einen fremden Jungen aus einem anderen Teil der Welt, aber als er da stand, schien es nur christlich.»
    «Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht mal, dass er das Studium abgebrochen hatte», sagte ich.
    «Wir haben uns immer gewünscht, dass aus Cora nicht einer jener schrecklichen Teenager würde, von denen alle reden. Wir hatten Glück mit ihr.»
    «Nein», sagte ich. «Sie haben sie richtig großgezogen. Daniels Mutter und ich, wir haben uns scheiden lassen, als er noch klein war. Er hat seine Kindheit damit zugebracht, zwischen uns hin- und herzufliegen, wie ein Tennisball. Ich dachte nicht, dass es ihm so viel ausmachte, aber …»
    Sie hustete in eine Serviette, und plötzlich kam etwas Farbe in ihr Gesicht, aber die verging gleich wieder. «Man weiß nie, wie man es mit Kindern richtig macht», sagte sie. «Mein Daddy hat mich und meinen Bruder geschlagen. Das wurde damals so erwartet. Es war normal. Du gabst ein Widerwort und bekamst den Gürtel zu spüren. Oder wenn ich zu spät nach Hause kam. Geschadet hat es mir nicht.»
    «Hat er bei Ihnen gut gearbeitet?», fragte ich. «Mein Sohn?»
    «Das hat er. Er war gewissenhaft und verlässlich. Und er hat sich mit den Mexikanern verstanden, was uns überrascht hat. Nun, nicht überrascht, aber die kleben ziemlich eng zusammen. Manchmal habe ich vom Fenster aus gesehen, wie sie miteinander herumalberten. Es hat mich gefreut zu sehen, dass er sich eingefügt und womöglich seinen Platz gefunden hatte. Es war so offensichtlich, dass er nach so etwas suchte.»
    Die Küchentür öffnete sich, Ted Kirkland kam herein und trat sich die Stiefel auf der groben Matte von den Füßen. «Hallo», sagte er, überrascht, dass da ein Fremder an seinem Tisch saß.
    «Schatz, das ist Daniels Vater.»
    Das Lächeln auf Teds Gesicht erstarb, doch er fasste sich schnell wieder. «Da sieh mal einer an», sagte er. Er wischte sich die Hand an der Jeans ab und streckte sie in meine Richtung. «Ted Kirkland.»
    Seine Hand war rau und rissig wie altes Holz. Ich fragte mich, was er von meiner dachte.
    Bonnie stand auf, um ihrem Mann ein Glas Tee zu holen.
    «Das musst du nicht», sagte er.
    «Sei still. Wie ist es gegangen?»
    «Sie haben uns wieder die falschen Stiefel geschickt», sagte er und wusch sich die Hände über der Spüle. «Zum dritten Mal in diesem Monat. Ich glaube langsam, Lambry hat diese Frau wegen ihres Aussehens eingestellt, und nicht, weil sie was im Kopf hat.»
    Bonnie stellte das Glas Tee auf den Tisch und ließ sich langsam auf den Stuhl zurücksinken. Ted trocknete sich die Hände ab, setzte sich neben sie und legte ihr eine Hand auf den Arm. Ich betrachtete die beiden. Diesen Mann, der seine Frau seit vierzig Jahren liebte, und die Frau, die in ein paar Monaten tot sein würde. Ich sah ihm an, dass er nicht wusste, wie er sie gehen lassen konnte, und dass es ihn zu vernichten drohte.
    «Hören Sie», sagte ich. «Ich möchte mich entschuldigen.»
    «Wofür?», fragte Ted.
    «Für meinen Sohn und für den Moment, als Sie den Fernseher angeschaltet und sein Gesicht gesehen haben. Als sie begriffen haben, was für einen jungen Mann Sie da bei sich aufgenommen hatten. Es hat lange gedauert, bis ich mich damit abfinden konnte, was er getan hat – wenn ich mich denn tatsächlich damit abgefunden habe –, und Sie sollen wissen, dass seine Mutter und ich … wir hätten nie gedacht, dass er zu so etwas … zu so einer Gewalttat fähig wäre. Sonst hätten
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