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Der Vater des Attentäters (German Edition)

Der Vater des Attentäters (German Edition)

Titel: Der Vater des Attentäters (German Edition)
Autoren: Noah Hawley
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dass sich alle Mütter um ihre Kinder sorgten, und er wolle doch kein schlechter Sohn sein. Er sagte, er würde sie anrufen. Dann habe ich ihm ein bisschen darüber erzählt, wie es hier ging. So wie immer. Dass Ted zu viel arbeite und Cora im College gut zurechtkomme.»
    «Hat er sonst nichts gesagt? Etwas über …» Ich brachte den Satz nicht zu Ende, aber ich musste es auch nicht. Bonnie schüttelte den Kopf.
    «Nein. Er hat nur erzählt, dass er vorübergehend als Dachdecker arbeite und dass er bei ein paar Mexikanern von der Baustelle wohne. Und dann hörte ich, wie er eine Hand auf den Hörer legte und jemandem etwas sagte. Nur ein paar Worte, und dann meldete er sich wieder und sagte, er müsse jetzt Schluss machen.»
    «Haben Sie gehört, was er sagte?»
    «Nein. Etwas wie: Einen Moment noch . Ich sagte, er solle in einer Woche wieder anrufen, wenn Cora da sei. Es würde sie bestimmt freuen, mit ihm zu reden. Er versprach sich zu melden. Und das war’s.»
    «Sonst nichts?»
    Sie schüttelte den Kopf. Die Lider wurden ihr schwer, unser Gespräch hatte sie ziemlich angestrengt. Ted sah es auch.
    «Warum gehst du nicht ins Wohnzimmer und legst dich etwas hin?», schlug er vor.
    Sie nickte. «Es tut mir leid», sagte sie. «Ich denke, ich habe früher nie wirklich gewusst, was Müdigkeit bedeutet.»
    Ich sah, wie sie ihren Mann anblickte. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie nicht mehr aus ihrem Bett aufstehen konnte. Ihre Kraft schwand mit jedem Tag. Und ihr Wille.
    «Sie sollten mehr Eis essen», sagte ich zu ihr.
    «Hilft das?»
    «Nein, aber es ist an der Zeit, das zu tun, was Sie mögen. Verstehen Sie?»
    Ein kurzes Schweigen. Sie nickte. Ich sah ihr an, dass sie es verstand. Der Tod. Ich redete über den Tod.
    «Ich verstehe es nicht», sagte Ted. «Was meinen Sie?»
    Sie tätschelte ihrem Mann die Wange. Ihr Blick sagte alles, und ich sah, wie er schluckte.
    «Ich verabschiede mich und lasse Sie ausruhen», sagte ich und stand auf.
    Bonnie nahm meine Hand. «Es war gut, Sie kennenzulernen», sagte sie.
    «Ich danke Ihnen. Und bitte richten Sie Ihrer Tochter einen Gruß von mir aus.»
    Ich wollte meine Hand zurückziehen, aber sie hielt sie fest. «Sagen Sie Ihrem Jungen», begann sie, «sagen Sie ihm, dass ich auf ihn warte. Sagen Sie ihm, er soll keine Angst haben. Wir gehen alle an einen wundervollen Ort, und er wird nicht mehr lange allein sein.»
    Ich nickte. Tränen liefen mir über das Gesicht.
    Ted brachte mich zur Tür und sagte: «Sie hat danach all ihre Waffen verkauft, wissen Sie.»
    «Ihre Waffen?»
    «Sie hat sie gesammelt. Bonnie ist mit Daniel ein paarmal schießen gegangen, draußen auf dem Land, denn sie fand, jeder sollte wissen, wie man mit einer Waffe umgeht. Aber nachdem er den Mann erschossen hat, konnte sie sie nicht länger ansehen. Sie wollte sie aus dem Haus haben. Also habe ich sie eingepackt und bin damit zu einer Gun Show gefahren. Fast zehntausend Dollar haben wir dafür bekommen. Ich wollte mit dem Geld einen neuen Radlader für den Laden kaufen, aber Bonnie war dagegen. Sie sagte, wir sollten das Geld spenden. Also hat Greenpeace es bekommen.»
    Er öffnete die Tür. Die helle Sonne von Iowa blendete mich einen Moment lang. Ted reichte mir die Hand. «Kommen Sie sicher nach Hause», sagte er.
    Ich nickte. Es gab so viel, was ich ihm sagen wollte, aber er war nicht der Mann, der über solche Dinge mit Fremden redete. «Machen Sie es ihr so angenehm wie möglich», sagte ich. «Und dann, hinterher, ändern Sie alles. Sie werden nicht mehr der Gleiche sein, wenn sie nicht mehr da ist.»
    Er nickte. «Sie ist der beste Mensch, den ich kenne», sagte er.
    Ich stieg in meinen Mietwagen mit seinem bitteren Zigarettengestank und fingerte nach dem Schüssel. Tränen liefen mir über das Gesicht, und ich schaffte es gerade, einen Gang einzulegen und davonzufahren. Die Räder wühlten den Kies auf. Ich fuhr so lange, bis ich nichts mehr durch die Tränen sehen konnte, hielt am Straßenrand und weinte zum ersten Mal seit Jahren, weinte richtig, ein Mann in einem Auto, das ihm nicht gehörte, in einem Bundesstaat, in dem er nie zuvor gewesen war, am Rand einer unbekannten Straße. Ich weinte, versuchte zu Atem zu kommen, stieß tierische Geräusche aus und schlug auf das harte Plastik des Lenkrads ein.
    Als es allmählich vorbeiging, wurde ich mir anderer Geräusche bewusst, Geräusche aus der Welt außerhalb meiner Trauer. Ich stellte fest, dass ich neben einer Weide parkte, und
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