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Der Vampir, den ich liebte

Der Vampir, den ich liebte

Titel: Der Vampir, den ich liebte
Autoren: Beth Fantaskey
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berührte mich wieder an der Schulter. »Und
du zitterst vor Kälte. Wie unhöflich von mir, dich in der eisigen Luft zu
verspotten, wo du doch den Frühling in den Karpaten nicht gewöhnt bist. Lass
uns hineingehen, wo ich deinen Zorn und deinen Hass auf mich in angenehmerer
Umgebung schüren kann.«
    Wir gingen
Seite an Seite den Pfad entlang. Lucius bewegte sich sicher auf dem für ihn
vertrauten Grund, während ich, schlecht gekleidet für eine solche nächtliche
Wanderung, neben ihm herstolperte. Ich schwankte leicht und Lucius hielt mich
fest. Nachdem ich wieder Tritt gefasst hatte, ließ er die Hand an meinem
Ellbogen, ich spürte, dass ich mit dieser simplen Geste meinem Ziel, den Krieg
zwischen den Vladescus und Dragomirs zu gewinnen, einen Schritt näher gekommen
war.
    Oder
vielleicht auch nicht. Denn als die massive Holztür zu seiner
Burg hinter uns zufiel und uns in einem imposanten gothischen Foyer
einschloss, dessen Mauern über mir in der Dunkelheit verschwanden, zu hoch, um
sie mit den zwanzig Fackeln zu erhellen, die um uns herum brannten, bemerkte
Lucius: »Du weißt, dass du mir heute Abend praktisch den Krieg erklärt hast.
Und jetzt bist du meine erste Gefangene.«
    Ich drehte
mich gerade rechtzeitig um, um zu sehen, wie er einen langen Eisenriegel
vorschob und uns damit in seinem gewaltigen Herrenhaus einsperrte.
    »Du machst
Witze, oder, Lucius?«
    Das hätte
ich besser nicht gesagt. Seine Augen waren hart wie Stein, als er mich
anschaute. »Das Traurige ist, Jessica, dass ich beinahe geglaubt hatte, du
hättest heute Nacht endlich gelernt, mir nicht zu vertrauen.«
    Ich sah
voller Entsetzen zu, wie Lucius hinter sich griff und etwas herauszog, das
offenbar die ganze Zeit, die wir zusammen allein in einem dunklen Karpatenwald
gestanden hatten, in seinem Gürtel gesteckt hatte.
    Ein
fleckiger, geschärfter Pflock.

Kapitel 65
    Lucius klopfte mit dem primitiven, aber
dennoch tödlichen Instrument gegen die Innenfläche seiner Hand. »Ich habe
alles in meiner Macht Stehende getan, um uns diesen Augenblick zu ersparen,
aber du weigerst dich nach wie vor zu kooperieren. Ich werde dir eine letzte
Chance geben, Antanasia. Ich werde den Riegel zurückziehen, du wirst
in die Nacht hinausgehen und meine Wachen werden für deine sichere Rückkehr zu
deinem Wagen sorgen. Du wirst nach Hause fliegen und diese ganze Episode
vergessen. Das ist mein Angebot, es liegt auf dem Tisch.«
    Während
Lucius sprach, waren seine Augen vollkommen schwarz geworden; die Schwärze der
Iris verdrängte das Weiß, als sei er ein exotisches, in der Nacht lebendes
Tier. Die Verwandlung war genauso fesselnd und beängstigend wie damals im
Esszimmer meiner Eltern, als Lucius das Blut gewittert hatte, das ihn heilen
würde. Es kostete mich meine ganze Überwindung, sein Angebot nicht auf der
Stelle anzunehmen und mich in Sicherheit zu bringen. Aber das konnte ich nicht
tun. Unsere kurze, heftige, verwirrende Beziehung würde in dieser Nacht ihren
Höhepunkt erreichen, wie auch immer der aussehen mochte. Ich würde keinen Tag
länger warten.
    Mit Mühe
gelang es mir, meine Stimme zu beherrschen. »Dein Angebot interessiert mich
nicht«, sagte ich und deutete auf den Pflock. »Das ist genau der Grund,
warum ich hier bin.
Was du in der Hand hältst, ist auch der Kern meines Angebots.«
    Lucius
betrachtete mich eingehend, sichtlich überrascht.
    »Hast du
erwartet, dass ich Angst haben würde, Lucius?«, fragte ich und hoffte, dass
weder meine Augen noch meine Stimme verrieten, wie sehr ich mich tatsächlich in
diesem Moment fürchtete.
    »Ja«,
antwortete er. »Denn das solltest du.«
    »Vielleicht
warst dann ausnahmsweise du mal naiv. Du unterschätzt ganz einfach, wozu ich
fähig bin.«
    Lucius
zögerte und die Stille in dem grabähnlichen Foyer war ohrenbetäubend,
unterbrochen nur vom gelegentlichen Zischen und Knacken der Fackeln. »Lass uns
reden«, sagte er endlich.
    Er ging vor
mir her. Ohne sich umzudrehen, um zu sehen, ob ich ihm folgte, führte Lucius
mich durch ein Labyrinth von Gängen und weiten Sälen. Es wirkte wie eine
Abfolge von Tunneln, die verschiedene Höhlen miteinander verbanden. Manchmal
mussten wir uns unter Simsen ducken, die aus einer Zeit stammten, als die
Menschen noch kleiner gewesen waren, und manchmal ging es kurze Treppenfluchten
hinauf. Diese Burg war nicht dazu geschaffen, Besucher willkommen zu heißen,
sondern Feinde zu verwirren. Es war kein Heim. Es war eine Höhle. Ein
steinernes
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