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Der Vampir, den ich liebte

Der Vampir, den ich liebte

Titel: Der Vampir, den ich liebte
Autoren: Beth Fantaskey
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vielleicht wirklich
tun. Ich war ihre Anführerin. Ich konnte Leben retten. Ich drehte den
Blutstein zwischen meinen Fingern und ließ meine leibliche Mutter zu mir
sprechen. Tu es nicht, Antanasia ... Deine erste Handlung darf keine
Unterwerfung sein, nicht einmal vor Lucius. Jetzt erst recht nicht, nicht vor
Lucius ...
    »Nein«,
sagte ich entschlossen. »Du hast den Pakt gebrochen, du bist verantwortlich
für das Ende des Friedens und die Dragomirs werden nicht vor einem ... einem
Tyrannen ... niederknien.«
    Daraufhin
lächelte Lucius, ein kleiner Schatten seines alten, spöttischen Lächelns. »Ist
es das, was du von mir denkst, Jessica? Dass ich ein Tyrann bin, wie der
jämmerliche Frank Dormand?«
    »Du bist
schlimmer«, entgegnete ich.
    Sein
Lächeln wurde traurig. »Das ist wahr. Frank hat trotz all seiner Fehler, trotz
seiner kleinen Grausamkeiten niemals auch nur davon geträumt, eine so
großartige Frau wie dich zu vernichten ...«
    Ich suchte
immer noch nach einer passenden Antwort, als Lucius sich umdrehte und uns verließ.

Kapitel 63
    Nachdem meine Familie aufgebrochen war und
keiner von uns das Festmahl auch nur angerührt hatte, das zur Feier meiner
Rückkehr so liebevoll zubereitet worden war, zog ich mich in mein Zimmer
zurück, wo ich mir einen Sessel vor die Bleiglasfenster schob und mehrere
Stunden dasaß und einfach nur in die Dunkelheit starrte. An Schlaf war nicht zu
denken.
    Was kann
ich tun, um meine Familie zu retten? Um Lucius zu retten? Kann ich Lucius
überhaupt noch retten – oder ist er bereits hoffnungslos verloren?
    Draußen
heulte ein Wolf in den Bergen. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch keinen
Wolf heulen hören, nur im Kino oder im Fernsehen. Das Heulen, das durch die
nächtliche Wildnis drang, war so klagend, dass es mir beinahe die Tränen in
die Augen trieb. Dieser Laut – dieser unglückliche, wunderschöne, ergreifende
Laut – drückte all meine Gefühle aus. Lucius lebte – aber er hätte genauso gut
tot sein können. Mein Herz schmerzte noch immer, vielleicht noch mehr als
zuvor, weil ich so große Hoffnungen in unser Wiedersehen gesetzt hatte. Lucius
hatte recht. Es war nicht so gelaufen, wie ich es geplant hatte. Es brach mir
das Herz, ihn so zu sehen.
    Und was er
mir über die Verschwörung der Vladescus erzählt hatte ... das hatte mich bis
ins Mark erschüttert. Dennoch glaubte ich nicht, dass Lucius Vasiles Komplize
gewesen war, selbst wenn er das jetzt behauptete. Der Plan war Vasiles
Strategie gewesen. Vielleicht wäre Lucius früher, als Vasile ihn noch in
seinem unbarmherzigen Griff gehabt hatte, zu solch einer Tat fähig gewesen.
Aber er hatte sich verändert. Er hatte einen neuen Weg gesehen. Er hatte zu mir
gesagt: »Für meine Kinder hätte es anders sein können ...«
    Seine Worte
von vorhin gingen mir nicht aus dem Kopf. »Ich habe dein Leben gerettet,
indem ich den Pakt gebrochen habe.«
    Mit seiner
Weigerung, die Übereinkunft der Clans einzuhalten, hatte Lucius mich vor
Vasiles Intrige retten wollen, und dabei bereitwillig sein eigenes Leben aufs
Spiel gesetzt. Er hatte gewusst, dass Vasile versuchen würde, ihn wegen seines
Ungehorsams zu vernichten.
    Lucius
würde mich immer beschützen.
    Sooft mich
meine Eltern auch vor der Skrupellosigkeit der Vladescus gewarnt hatten, sooft
Lucius auch beteuern mochte, dass er eine Gefahr für mich darstellte – ich wusste
es besser.
    Aber wie
konnte ich Lucius davon überzeugen, dass er mir niemals etwas antun konnte?
Dass wir immer noch zusammengehörten – und dass sich das nie ändern würde?
    In der
Schwärze draußen vor dem Fenster gab es keine Antworten, daher stand ich auf
und öffnete meinen Koffer, um auszupacken. Zumindest werde ich nicht nach
Hause rennen, wie Lucius es gerne hätte.
    Als ich
meine Kleider auspackte, fiel meine Ausgabe von Jung und Untot, die ich
in letzter Sekunde eingesteckt hatte, zu Boden. Als ich das Buch aufhob,
dachte ich an den Tag zurück, an dem ich es neben meiner Zimmertür gefunden
hatte; Lucius' Lesezeichen hatte in der Morgensonne geglänzt. Damals hatte ich
das Geschenk gehasst. Aber Lucius hatte recht gehabt. Trotz seines
anbiedernden Tonfalls war das
Buch ein guter Ratgeber in einer verwirrenden Zeit gewesen. Eine verlässliche
Quelle. Beinahe ein Vertrauter, als es niemanden gegeben hatte, mit dem ich
über die Veränderungen reden konnte, die in meinem Körper und meinem Leben
stattfanden. Ich setzte mich aufs Bett und schlug das letzte Kapitel auf,
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